Mörderspiele
auf ihrem Gebiet. Ein Gespräch ohne Termin zu bekommen, war so gut wie aussichtslos.
Nachdem sie den Kampf mit Miras Sekretärin schließlich ausgefochten hatte, brummte Eve der Schädel. Gleichwohl hatte sie ihre zehn Minuten bekommen.
»Sie sollten Sie mit Peitsche und Handschellen ausstatten«, seufzte Eve, als sie Miras Büro betrat. »Obwohl - dieser Drachen kommt auch so zurecht.«
»Ihnen ist es noch jedes Mal gelungen, an ihr vorbeizukommen. Setzen Sie sich.«
»Nein, danke, ich will es kurz machen.«
Mira glitt hinter ihren Schreibtisch. Sie war eine schlanke, aparte Frau, mit einem Faible für schicke Garderobe. Ihr Zweiteiler war leuchtend rot, das Revers mit Perlen bestickt.
»Schätze, es geht um Nummer zwölf«, begann Mira. »Zwei Morde, zwischen denen nahezu hundert Jahre liegen. Ein außergewöhnlicher Fall, die Sache mit Bobbie Bray.«
»Sie glauben das auch? Die Leute artikulieren diesen Namen mit einer Ehrfurcht, als wäre sie eine Göttin gewesen.«
»Ach ja?« Mira lehnte sich in ihrem Sessel zurück, ihre blauen Augen blitzten belustigt auf. »Meine Großmutter erlebte sie Anfang der Siebziger wohl noch live in Nummer zwölf. Beteuerte, sie hätte dem Türsteher einen kleinen Gefallen getan, damit sie keinen Eintritt bezahlen musste. Meine Oma war eine ganz Wilde.«
»Huch.«
»Meine Eltern sind noch heute große Fans von ihr. Ich wuchs praktisch mit ihrer Stimme, ihrer Musik auf. Ist es schon bestätigt? Sind es ihre sterblichen Überreste?«
»Die Forensiker schließen jede Wette ab. Inzwischen wurde anhand des Schädels eine Rekonstruktion des Gesichts vorgenommen, und die Maske sieht Bray frappierend ähnlich.«
»Kann ich sie mal sehen?«
»Ich kann die Datei auf den Computer holen.« Eve tippte ihren Code ein und rutschte zur Seite, damit Mira mit auf den Monitor sehen konnte.
Das hübsche, melancholische Gesicht mit den tief liegenden Augen und den vollen, sinnlichen Lippen strahlte Jugend und Wehmut aus.
»Ja«, murmelte Mira. »So sah sie früher aus. Sie hatte etwas Tragisches und Verlebtes an sich, obwohl sie noch so jung war.«
»Drogen, Alkohol und Sex hinterlassen ihre Spuren.«
»Vermutlich. Lässt Sie der Anblick dieser jungen Frau denn kalt?«
Diese Frage war mal wieder typisch Charlotte Mira, überlegte Eve, denn die Profilerin war eine ausgesprochen gefühlvolle Frau. »Mich lässt niemand kalt, der eine Kugel ins Gehirn gejagt bekommt und dann eingemauert wird. Das verlangt minuziöse Aufklärung - nicht zuletzt auch wegen der Cops, die damals wegschauten. Gleichwohl hatte sie sich für das Leben entschieden, das sie führte. Und wenn man dann mit zwanzig und ein paar Jahren so verbraucht und verlebt aussieht, mag ich dafür wenig Verständnis aufbringen.«
»Es war eine völlig andere Zeit«, wandte Mira ein. Ihr Blick glitt von dem Bildschirm zu Eve. »Meine Großmutter behauptete hartnäckig, man hätte dabei sein müssen, sonst könnte man überhaupt nicht mitreden. Bobbie hätte Ihre Lebensauffassung vermutlich genauso wenig nachvollziehen können.«
Die Profilerin schaltete den Monitor aus. »Gibt es noch mehr, was ihre Identität bestätigt?«
»Das Skelett wies einen Schlüsselbeinbruch links auf, und das deckt sich mit den Arztberichten - Bray hatte als Kind eine solche Verletzung erlitten. Wir haben DNA entnommen, die im Labor mit der Probe eines Verwandten verglichen wird.«
»Wirklich tragisch. Das Mädchen war ein solches Talent.«
»Sie hat aber nicht besonders gesund gelebt.«
»Das tun die wenigsten interessanten Menschen.« Mira neigte den Kopf. »Sie doch auch nicht.«
»Ich engagiere mich in meinem Job. Sie dagegen hatte nichts anderes im Kopf als Drogen und Sex, das kann ich Ihnen flüstern.«
Mira hob konsterniert eine Braue. »Sie empfinden nichts für das Schicksal der jungen Frau. Wahrscheinlich hätten Sie sie nicht einmal gemocht.«
»Kann mir auch nicht vorstellen, dass wir viele Gemeinsamkeiten hätten. Aber das ist hier nicht der Punkt. Sie hatte ein Kind.«
»Was? Davon wusste ich nichts.«
»Sie hielt es geheim. Sehr wahrscheinlich war es von Hop Hopkins, möglich, dass es auch das Ergebnis irgendeines Seitensprungs war. Wie dem auch sei, sie lief weg, bekam das Kind und ließ es in der Obhut ihrer Mutter. Schickte der Familie Geld - und die Mutter tat so, als wäre es ihr eigenes.«
»Und Sie finden das verachtenswert, nicht?«
Ein Hauch von Empörung malte sich auf Eves Zügen. »Auch das tut hier nichts zur
Weitere Kostenlose Bücher