Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition)

Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition)

Titel: Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
Vom Netzwerk:
wagte nicht, Ingas Hand fortzudrücken.
    „Dafür weiß ich es umso mehr“, sagte sie. „Verantwortung ist nie leicht zu tragen, Harry, aber wenn man nie damit anfängt, wird man nie lernen und immer ein Blatt im Wind bleiben. Auf diese Weise hast du deine Frau verloren und mit ihr deine einzige Tochter. Diese Angst, sich dem Leben zu stellen, hat dich der Möglichkeit beraubt, das eigene Kind beim Großwerden zu begleiten, zu erleben, wie es wuchs, begann zu sprechen, anfing zu laufen. Sie beraubte dich, den Stolz zu fühlen, als es zu seinem ersten Schultag aufbrach, einen Abschluss machte und eine Ausbildung begann ... Zwanzig Jahre ist das her, Harry. Deine Frau ist damals gegangen, weil du dich zu schwach fühltest, die Verantwortung zu tragen, für sie und ihr ungeborenes Kind einzustehen, zu kämpfen.“
    Harry starrte sie an. Ein Stich fuhr durch seine rechte Brust. Er hatte nie über diese Sachen gesprochen, mit niemandem. Keiner wusste davon. Es lag so lange zurück und er hatte akzeptiert, dass dies ein Teil seines Lebens gewesen war. Ein Teil, der ihm noch immer schmerzhaft nah ging, wenn er darüber nachdachte, so wie er es jetzt wieder tat. Er bekam kaum ein Wort heraus, bis er schließlich ein, „Woher weißt du von Anni und der Kleinen?“, hervorpresste und sich dabei ganz klein und dumm vorkam.
    „Harry, es geht nicht darum, wieso ich das weiß. Es geht darum, dass du dich nicht länger verstecken kannst. Wenn Margareta in diese Welt zurückkehrt und wir sie nicht aufhalten, wird sie töten, immer und immer wieder. Es werden Kinder sein, Kinder wie jenes, das du nie hast aufwachsen sehen. Also hör‘ auf, in Selbstzweifeln zu versinken. Ich brauche dich und der Grund ist einfach.“
    Inga nahm die Hand von seiner Schulter, sie schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Die Gardinenpredigt schien sie sehr angestrengt zu haben.
    Harry bemerkte, wie sich eine uralte Umklammerung in seiner Brust löste. Er konnte wieder normal atmen und beinahe war es so, als spürte er eine angenehme Wärme, die sich in seinem ganzen Körper auszubreiten begann. Er fühlte sich … besser.
    Inga öffnete die Augen. Ihr Gesicht strahlte wieder Entschlossenheit aus. Vielleicht lag es daran, dass die Zeiger der Uhr die Mitternachtsstunde just in diesem Moment überschritten hatten.
    „Ob wir Sklaaten nun finden oder nicht. Wir müssen diese Kiste wieder verschließen. Das Schloss ist nur noch sehr schwach oder bereits zerbrochen. Sie wird in diese Welt zurückkehren, es gibt da keine Zweifel. Ich spüre, dass sie stärker wird. Du hast Sklaaten zuletzt gesehen. Ich muss wissen, was er gesagt oder getan hat. Jedes Detail könnte wichtig sein.“
    „Das ist alles? Mehr nicht?“ Inga nickte. „Zunächst einmal. Ja.“
    Harry überlegte. Die Bilder der Horrornacht waren frisch und präsent, aber es waren zu viele. In seinem Kopf herrschte ein Chaos aus Eindrücken, die sich in sein Hirn gebrannt hatten. Dazu kam, dass er unter Stress gestanden und permanent Angst gehabt hatte in dieser Nacht. Angst vor Sem, Angst vor den Möwen, Angst vor Ari Sklaaten . Er erinnerte sich daran, dass er dem Koch auf der Panoramaterrasse gegenübergestanden und dass Ari ein großes Hackebeil in der Hand getragen hatte.  Auge in Auge, keine drei Meter voneinander entfernt. Er konnte sich auch noch daran erinnern, dass Sklaaten wie von Sinnen war und fürchterlich zusammenhanglos geplappert und geschrien hatte. Jedoch, was das genau gewesen war, daran schien er sich nicht erinnern zu können. Harry strich über seine Glatze, bis seine Finger den Druckverband an seinem Hinterkopf erreichten. Schmerzerfüllt zuckte er zusammen, grübelte noch eine kurze Weile und senkte danach den Kopf.
    „Ich … keine Ahnung … beim besten Willen nicht, Inga. Tut mir leid. Er redete wirres Zeug, ich hatte Panik und dann schrie er. Irgendwas mit einem Dämon und einem Versprechen. Ich weiß es wirklich nicht mehr. Und dann ist er auch jäh abgestürzt. Der Boden brach unter ihm weg. Das ganze Gebäude war im Begriff zusammenzustürzen. Alles ging so schnell und…“
    Klack, Klick, Klack .
    Das leise Klappern aus dem Lädchen im vorderen Bereich des Hauses hallte durch den Flur in die Küche. Inga hatte ein hölzernes Windspiel an der Eingangstür hängen, wenn es in Bewegung geriet, machte es genau diese Geräusche und verriet der Ladeninhaberin damit meist, dass ein potenzieller Kunde hereingekommen war, aber nicht nachts.
    Klack, Klick, Klack,

Weitere Kostenlose Bücher