Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)
lebt. Tja, und jetzt sitzt die Filzlaus in einer meiner Zellen und ich hätte nicht wenig Lust, ihn Stück für Stück auseinanderzunehmen.“
„Was hindert dich daran?“, fragte Harry und schloss gleich den Mund, weil ihm diese Frage einfach unüberlegt herausgerutscht war. Petr störte sich nicht daran.
„Das ist eine gute Frage, Harry. Die Antwort ist einfach. Egal wie lange ich ihn quäle, egal was ich mit ihm anstelle, er wird mir nicht erzählen, wo er meine Sachen versteckt hat. Und ich will zurückhaben, was er mir gestohlen hat. Er wird das Maul nicht aufmachen, um mir irgendwas zu sagen. Er lacht mir höchstens dreckig ins Gesicht.“
„Bist du dir da sicher?“
„Natürlich bin ich mir sicher!“, ereiferte sich Petr und sprang aus seinem Sessel. Er schob sich an dem Schachbretttisch vorbei, stemmte die Hände auf die Armlehnen von Harrys Sessel und beugte sich hinunter. Harrys Kopf wich zurück, bis er den verletzten Hinterkopf nur noch schmerzhaft in die Rückenlehne pressen konnte.
„Dieser Kerl hat z ehn Jahre gelebt wie eine Ratte; ohne Licht, Strom oder fließendes Wasser. Der hat vieles mitgemacht. Mit Folter ist dem nicht beizukommen. Im Gegenteil: Er würde wissen, dass ich etwas von ihm haben möchte und am Ende würde er gewinnen. Nur er weiß, wo meine Sachen sind und er ist sich dieser Tatsache nur allzu bewusst, Harry.“
Petrs Nasenspitze berührte jetzt beinahe Harrys Nasenspitze. Sie hielt diesen geringen Abstand während Stojic weiterredete.
„Ich will mein e Trophäen“, wiederholte er. „Also müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen.“
„Und was?“
„Oh, ich habe mir meine Gedanken schon gemacht. Und da ich jetzt weiß, dass du noch immer loyal für mich arbeitest, wird das alles weitaus weniger problematisch, als ich vor eurem Eintreffen hier befürchtet hatte.“
Schwungvoll stemmte er sich von den Armlehnen ab, drückte den Rücken durch und richtete sich zu voller Größe auf. Petr war kein übermäßig hochgewachsener Mann, dennoch wirkte er, so wie er jetzt dastand, auf Harry bedrohlich groß. Stojic verharrte nicht lange in dieser Position. Vielmehr war sie eine Übergangsbewegung, die darin mündete, dass er sich von Harry abwandte und die Türflügel anvisierte. Bevor er darauf zuging, fragte er Harry: „Vertraut Ari dir?“
„Ich … ich weiß nicht … Er …“
„Nun, wir werden es herausfinden, nicht wahr? Drück die Daumen, dass es so ist.“
„Aber … W ie … Aber ... Was?“
„Keine Sorge, das ist alles gar nicht so kompliziert, Harry. Du wirst wissen, was du zu tun hast“, beendete Petr das Gespräch und öffnete die Tür. Harry hörte, wie er leise mit jemandem sprach, vermutlich Viktor oder Andrej. Er verstand nur nicht, was dort besprochen wurde. Er war zu müde, um sich nach der Tür umzuschauen oder um den Drang zu verspüren, zu erfahren, was als Nächstes geschehen würde.
Herrje. Bitte lass es ein Ende nehmen …
Er schloss die Augen und hörte kurz danach, wie sich mehrere Personen näherten. Ihre Schritte hallten in schneller Abfolge auf dem Fußboden. Vermutlich hätte das Harry aufschrecken lassen müssen, allerdings war er nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte und außerdem hundemüde.
So kamen Viktor Kulacs Worte: „Versau es nicht, Romdahl“ und der plötzlich folgende Schmerz, der sich vom Hals ausgehend in seinem ganzen Körper ausbreitete, überraschend. So überraschend und qualvoll, dass Harry nur noch Rot dann Schwarz vor Augen sah und direkt das Bewusstsein verlor.
Kapitel 2
Das helle Aufblitzen des Mündungsfeuers brannte in ihren Augen. Es erhellte schlagartig die Dunkelheit. Monica sah den Lichtblitz, hörte den Knall und spürte sofort danach ein heißes Ziehen an der Oberseite ihrer linken Schulter. Entsetzt taumelte sie nach hinten, trat ins Leere und verlor das Gleichgewicht. Ein spitzer Schrei entfuhr ihr. Mit den Armen in der Luft rudernd stürzte sie hintenüber, fiel in den Sand und überschlug sich etliche Male. Es ging steil bergab, und als ihr Körper auf dem Rücken liegend in der Senke endlich zur Ruhe kam, hatte sie völlig die Orientierung verloren.
Sie hörte aus einiger Entfernung jemanden Fluchen, dann sah sie weit über sich einen weiteren Lichtblitz und hörte das Krachen des nächsten Schusses. Etwas schlug unmittelbar neben ihr in den sandigen Boden ein. Einmal. Zweimal. Dreimal. In diesem Moment unfähig sich zu bewegen, hielt Monica die Luft an. Sie war
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