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Mogelpackung: Roman

Mogelpackung: Roman

Titel: Mogelpackung: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schröter
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der hässlichen Szene auf dem Schulhof. »Nehmen Sie es ihm bitte nicht übel, Frau Anatol! Fredo kommt manchmal etwas schräg rüber – das polarisiert dann oft, da ist man schnell Fan oder Feind. Ich sage Ihnen, früher in der Klasse – da waren wir meistens Fans!«
    Das hatte Schulz noch mit einem albernen Kichern garniert und sie mit dieser weisen Belehrung stehenlassen. Helena hatte nicht vor, sich in der Fredo-Fried-Fankurve einzureihen. Feindschaft musste natürlich auch nicht sein. Und was Tims Biolehrer, Herrn Köhler, betraf – da war wohl tatsächlich nicht alles ganz sauber gelaufen. Von ihr mit Fredos Vorwürfen konfrontiert, hatte der sonst eher forsche Köhler ziemlich defensiv reagiert, alles relativiert und sich auf die kaum widerlegbare Behauptung zurückgezogen, er hätte ja längst alle Unstimmigkeiten mit Tim ausgeräumt, wenn der Junge denn wenigstens mal zum Unterricht erschienen wäre.
    Tatsache war, dass man in der Schülerpersonalie Tim Fried keinen Deut weitergekommen war. Helena Anatol nahm einen weiteren Probierschluck aus ihrem Weinglas und schob alle Gedanken an berufliche Probleme beiseite. Tatsache war leider auch, dass sie hier zu einer Stunde, da Normalbürger gerade mal mit dem Abendbrot durch waren, bei abgedunkelten Fenstern mit einem Schlummertrunk im Sessel saß, um sich gleich für eine weitere, für gewöhnlich weitgehend schlaflose Nacht ins Bett zu begeben. Helena schlug dieses freudlose Dasein plötzlich enorm aufs Gemüt.
    Ich muss mal raus, entschied sie augenblicklich. Es ist zwar bloß Bornstedt, aber sogar hier müsste es doch einen Ort geben, an dem man abends ein paar andere Gesichter sieht als tagsüber. Hunger hatte sie außerdem. Sogar ziemlich großen, wie sie nun erst feststellte. Kurzentschlossen sprang sie auf, schnappte sich Jacke und Handtasche und verließ die Wohnung. Bis zur Kirche waren es nur ein paar hundert Meter, dort im Umfeld gab es ein paar Restaurants. Nichts Großartiges, aber immerhin. Helena entschied sich für Pizza und einen rustikalen Laden namens »Feuerofen«.
    Drinnen drückte sie sich hinter einen unbesetzten Ecktisch und sah sich um. Tatsächlich überwiegend unbekannte Gesichter, das war doch schon mal was. Nur ein ältliches Paar aus ihrer Nachbarschaft. Und ein Jugendlicher aus der Oberstufe, den sie aber noch nie unterrichtet hatte und der sie deshalb auch nicht weiter beachtete. Gerade als Helena ihr Essen bestellte – kleiner Bauernsalat, Pizza Frutti di Mare –, öffnete sich die Tür, der nächste Gast trat ein, stutzte nur kurz und steuerte dann gleich auf ihren Tisch zu.
    »Frau Anatol! Guten Abend. Sie habe ich hier ja noch nie getroffen!«
    Kollege Köhler. Ausgerechnet. Mit dem hatte sie eigentlich noch nie wirklich gesprochen, abgesehen neulich von der Problemdiskussion um Tim Fried. Na gut, dachte Helena, er wird ja wohl nicht ausgerechnet hier bei mir …
    »Wenn Sie auch ohne Begleitung hier sind – vielleicht darf ich mich zu Ihnen setzen?«
    Da war schlecht etwas zu machen, ohne grob zu sein, entschied Helena und wies auf die freien Plätze an ihrem Tisch. »Bitte. Freie Auswahl. Guten Abend, Herr Köhler.«
    Der Kollege setzte sich und schien sich tatsächlich zu freuen. »Alleine essen gehen ist langweilig. Aber ich hatte Heißhunger auf Pizza. Und eine bringen lassen, so lauwarm in der Pappschachtel – also, nein. Am Ende balanciere ich die Pappe noch auf den Knien und futtere Pizzastücke mit bloßen Händen. Nein, dann lieber im Restaurant am Tisch essen. So viel Selbstdisziplin muss sein.«
    »Wenn’s zu Hause keiner sieht«, konnte sich Helena nicht verkneifen, »dann kommt es doch nicht so darauf an.«
    »Finden Sie Disziplin unwichtig?«, hakte Köhler sofort nach.
    Helena zuckte nur andeutungsweise mit den Schultern und ärgerte sich bereits, dass sie sich überhaupt zu einer Äußerung hatte hinreißen lassen.
    Köhler registrierte ihren Unwillen, reagierte aber überraschend zurückgenommen. »Ich möchte bloß keine Welt ohne Regeln. Und Regeln erfordern Disziplin. Auch Selbstdisziplin. Sonst gerät alles aus den Fugen, das ist nicht gut.«
    »Wie wär’s, wenn wir einfach Pizza essen?«, schlug Helena vor. »Und möglichst nicht über Disziplin, Regeln oder gar die Schule reden?«
    Köhler lächelte – was überraschend charmant aussah, wie seine Kollegin feststellte. »Absolut einverstanden, Frau Anatol. Nur das will ich zuvor loswerden: Tim Fried nimmt wieder am Biologieunterricht

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