Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten
braver Hund, lobt der Uniformierte, da, sagt er, fischt einen Knochen aus einem Sack und wirft ihn auf den Boden, friss! Erst jetzt erkenne ich, dass es sich bei dem schwarzen Mann um Manu handelt. Friss, sagt der Polizist noch einmal, und nachdem Manu sich nicht bewegt, fasst ihn der Beamte am Nacken und drückt seinen Kopf zu Boden, bis seine Lippen den Knochen berühren. Friss endlich, du blöder Hund, schreit ein anderer Beamter, doch der Hund öffnet sein Maul nicht, der erste Polizist zückt seine Waffe, entsichert sie und hält sie dem Hund an die Schläfe, Friss oder stirb, Rex, sagt er, und die anderen lachen. Manu öffnet seinen Mund, fasst mit seinen Lippen nach dem Knochen, an dem grünlich-gelbe Fleischreste hängen, Braver Hund, lobt einer der Polizisten und klopft ihm auf den Rücken, die anderen lachen grölend, Manu rinnen Tränen über die Wangen.
Ein Polizist reißt an der Leine, sodass es Manu den Hals abschnürt, er fasst mit den gefesselten Händen nach der Leine und versucht, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, doch die Polizisten wissen es zu verhindern. Manu beginnt, um sich zu schlagen und zu schreien, die Polizisten lachen, einer zieht die Schuhe aus und stopft Manu seine Socken in den Mund, dann verkleben sie ihm Mund und Nase mit Klebeband, sie binden ihn an einen Sitz, der Mann, neben den sie ihn setzen, blickt nur kurz auf, dann liest er weiter in seiner Zeitung. Drogengeschäft fest in nigerianischer Hand, lautet die Schlagzeile, alle im Waggon lesen dieselbe Schlagzeile und nicken zustimmend, als die Polizisten Manu fesseln und knebeln, das Klebeband verdeckt bald das ganze Gesicht, zuerst verschwinden Mund und Nase, dann Augen und Ohren, schließlich der ganze Kopf.
Manus Kopf bewegt sich wild hin und her, auch die Hände bewegen sich, soweit es Handschellen und Fesseln eben zulassen, doch die Bewegungen werden langsamer und langsamer und hören schließlich ganz auf, einer der Polizisten spricht in ein Funkgerät, beim Burggarten steigen zwei Männer mit einem Blechsarg ein und holen Manu ab, seine Sitznachbarn unterhalten sich über das schlechte Wetter und die steigenden Benzinpreise.
Ihr Kinderlein kommet, grölen die vier Burschen, die vor dem Burgtheater einsteigen, sie gehen durch die Straßenbahn und mustern die fahrenden Gäste mit glasigen Äugelein, bei Oma bleiben sie stehen, Du gehörst nicht hierher, sagt einer von ihnen, du gehörst nach Hause zu deinen Verwandten, den Affen. Die anderen johlen vor Vergnügen, dann fassen sie Oma an den Handgelenken, sie wehrt sich, doch vergebens, die vier lösen die Kette, mit der Oma an den Sitz gekettet ist und steigen vor der Universität mit ihr aus.
O du fröhliche, singen die zwei Männer, die bei der Börse einsteigen, sie gehen ein paar Mal auf und ab, dann bleiben sie neben Murad und seiner Mutter stehen, Du da, sagen sie zu ihr, tanz, tanz, tanz für uns. Sie rührt sich nicht. Hast du nicht gehört? Du sollst für uns tanzen, das könnt ihr doch. Nachdem sich Murads Mutter immer noch nicht bewegt, reißt der eine ihr das Kopftuch herunter, sie zieht den Kopf ein, als könnte sie ihre Haare dadurch verbergen, dann lösen die Männer die Ketten und zwingen die Mutter mit vorgehaltener Waffe zum Bauchtanz, und mit steifen, ungeschickten Bewegungen dreht sie sich zur Melodie von Dunjas Geige, spiel’, Scheherazade, wende dich hin, wende dich her, dass ich dich schaue. Bei der Oper steigen die beiden Männer schließlich aus, Murad und seine Mutter werden mitgenommen.
Vor dem Parlament beginnt es zu schneien, Weihnachtslieder schallen über den Rathausplatz, das Rathaus ist festlich geschmückt, und die ganze Stadt atmet Glühwein und Punsch und Punsch und Glühwein. Im Rathauspark hängt zwischen Lampions und Geschenken ein Käfig im Baum, man hat Oma darin eingesperrt, manchmal bleibt ein Kind darunter stehen und zeigt hinauf. Der Schnee türmt sich links und rechts der Straße, der Donaukanal ist zugefroren, als die Straßenbahn am Schwedenplatz ankommt, ist der Frühling ausgebrochen, der Eissalon öffnet seine Pforten und die Modefarbe des Frühjahrs ist Erbsengrün. Bürgermeister Lueger winkt von seinem Sockel, Wir wehren uns dagegen, dass an die Stelle des alten christlichen Österreich ein neues Mekka tritt, sagt er, er zwirbelt den gepflegten Bart, aus dem Stadtpark dringen Walzerklänge, und auch Dunjas Geigenspiel verfällt wieder in den Dreivierteltakt. Auf dem Heldenplatz spricht ein kleiner Mann mit
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