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Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
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nichts zu vergessen – ja, auch Engel können Dinge vergessen –, und er sprach mit allen Menschen in allen Ländern.
    Die Menschen erzählten dem Engel von ihren Problemen, und manche lebten in so großer Not, dass er ganz traurig wurde. Ich bin ja nur ein einfacher Engel, sagte er, als die Menschen ihn um Hilfe baten, aber ich werde den Göttern von euren Schwierigkeiten berichten, und ich bin sicher, sie werden euch helfen. Die Menschen schöpften Hoffnung, der Engel kehrte in den Himmel zurück und lieferte seinen Bericht bei den Göttern ab.
    Nicht lange danach wurde er auf seine zweite Mission geschickt. Er freute sich schon darauf, den Menschen zu begegnen, die er kennengelernt hatte. Doch wie groß war seine Bestürzung, als sie noch immer mit derselben Not zu kämpfen hatten, wie bei seinem ersten Besuch! Haben euch die Götter nicht geholfen, fragte er. Ach, sprich uns nicht von den Göttern, sagten die Menschen. Der Engel stürzte aus allen Wolken. Ich muss nachdenken, sagte er, und zog sich auf einen hohen Berg zurück. Nach ein paar Tagen stieg er wieder herunter. Ich bin zwar nur ein einfacher Engel, sagte er, aber wenn die Götter den Menschen nicht helfen, dann werde ich es eben versuchen. Gesagt, getan, und tatsächlich, er half, wo er konnte.
    Es sprach sich unter den Menschen herum, dass es da einen hilfreichen Engel gäbe, und bald kamen die Leute aus nah und fern, um den Engel um Hilfe zu bitten. Er half, so gut er konnte, und viele gingen glücklich und zufrieden von dannen. Doch es kamen immer mehr Menschen. Der Engel arbeitete Tag und Nacht und löste große und kleine Probleme, aber irgendwann wurde es ihm zu viel, und er wurde krank. Er konnte nicht mehr aufstehen, nicht mehr gehen und natürlich auch nicht fliegen. Die Menschen versuchten, ihn gesund zu pflegen, doch vergebens. Sie kannten sich nicht aus mit den Krankheiten der Himmelsbewohner, und auch der Engel selbst wusste nicht, was ihm fehlte. Und so blieben die Probleme der Menschen ungelöst, und das ist das Ende der Geschichte.
    Was, das kann noch nicht das Ende sein, Das ist eine furchtbar traurige Geschichte, Erzähl’ weiter, protestieren meine lieben Mitbewohner lautstark. Da gibt es nichts mehr zu erzählen, widerspricht Pitra. Was geschah mit dem Engel, wurde er wieder gesund, will Zakia wissen, und die Schwarze Köchin nickt. Keine Sorge, der wurde gesund und konnte auch wieder fliegen. Und was sagten die Götter zu alldem, fragt Haluk. Pitra zuckt mit den Schultern. Sie nahmen den Bericht des Engels entgegen. Wir werden uns um die Probleme der Menschen kümmern, versprachen sie und schickten beim nächsten Mal einen anderen Engel auf die Erde. Und was geschah mit den Problemen der Menschen, will ich wissen. Die müssen sie schon selber lösen, lautet Pitras Antwort, und jetzt esst noch etwas.
    Einige folgen ihrer Aufforderung, auch ich hole mir einen Nachschlag, dann setze ich mich in die Mitte des Raumes, richte meine Ohren einmal hierhin und einmal dorthin und folge den Gesprächen der anderen. Und dann geht plötzlich die Tür auf, ein kalter Windstoß fährt herein, drei Frauen stehen im Türrahmen, keiner kennt sie, stumm lassen sie die Blicke über die Köpfe der Anwesenden schweifen. Kommt herein, lädt Pitra sie ein. Nein, möchte ich ihr zurufen, lass’ sie nicht herein, ich habe ein schlechtes Gefühl, doch kein Wort entringt sich meiner Kehle. Es ist noch genug zu essen da, sagt Pitra, und Platz finden wir auch irgendwo für euch. Sie treten ein, noch immer blicken sie suchend um sich, und dann stürzt die Älteste von den dreien plötzlich auf mich zu. Tamim, ruft sie aus, mein Tamim, und fällt mir um den Hals. Ich sitze da und weiß nicht, wie mir geschieht, als sich auch noch die beiden jungen Frauen an mich und an die ältere hängen. Tamim, Tamim, rufen auch sie ganz verzückt, Tränen rinnen allen dreien über die Wangen. Die Blicke der anderen richten sich auf mich, erstaunte, ratlose, erwartungsvolle Blicke, Tamim, mein Sohn, ruft die Älteste immer wieder, Tamim, Bruder, stimmen die beiden Jüngeren mit ein. Seine Mutter, sagt Oma ehrfurchtsvoll, Und seine Schwestern, fügt Anunu hinzu, und ein Raunen geht durch den Raum. Aber ich kenne dieses Weibes nicht, rufe ich aus, ich kenne keine dieser Frauen! Aber Tamim, reagiert die Älteste bestürzt, kennst du deine eigene Mutter nicht mehr? Bin ich so alt geworden? Und deine Schwestern, kennst du deine schönen Schwestern nicht mehr? Nein, ich kenne sie

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