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Mohrenwäsche

Mohrenwäsche

Titel: Mohrenwäsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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des Empire und hatte sich mit jedem neuen Breitengrad mehr von jenem feinen, anspruchsvollen Wesen zugelegt, das Kommandant van Heerden so bewunderte. Nun war sie müde. Das affektierte Geziere, das für jede Form von Gesellschaftsleben in Nairobi so notwendig gewesen war, war in Piemburg, dessen Atmosphäre im Vergleich dazu kleinbürgerlich war, fehl am Platze. Sie war immer noch gedrückter Stimmung, als sie sich zum Abendessen umzog.
    »Was nutzt es, immer weiter so zu tun, als wären wir, was wir nicht sind, wenn kein Hahn danach kräht, daß wir’s nicht sind?« fragte sie wehmütig. Colonel Heathcote-Kilkoon sah sie mißbilligend an.
    »Müssen den Schein wahren!« bellte er.
    »Ohren steif halten, altes Mädchen«, sagte Major Bloxham, dessen Großmutter in Brighton eine Schneckenbude besessen hatte. »Kannst die Truppe doch nicht im Stich lassen.«
    Aber Mrs. Heathcote-Kilkoon wußte nicht mehr, zu welcher Truppe sie eigentlich gehörte. Die Welt, in die sie geboren war, war untergegangen und mit ihr die gesellschaftlichen Ambitionen, die das Leben erträglich gemacht hatten. Die Welt, die sie sich mit Heuchelei und Verstellung erschaffen hatte, verging. Nachdem sie den Zulu-Diener beschimpft hatte, weil er die Suppe von der falschen Seite serviert hatte, stand Mrs. Heathcote-Kilkoon vom Tisch auf und ging mit ihrem Kaffee in den Garten. Dort schritt sie unter dem leuchtenden Nachthimmel lautlos über den Rasen und dachte über den Kommandanten nach. »Er hat so was Wirkliches an sich«, murmelte sie leise. Bei ihrem Port debattierten Colonel Heathcote-Kilkoon und der Major über den Kampf um die Normandie. Sie hatten absolut nichts Wirkliches an sich. Sogar der Port war aus Australien.

5
    Die nächsten Tage setzte Kommandant van Heerden, blind gegen das Interesse, das sowohl Luitenant Verkramp als auch Mrs. Heathcote-Kilkoon auf ihn richteten, seine literarische Pilgerreise mit erhöhtem Eifer fort. Von den Sicherheitsbeamten aufmerksam beschattet, die Verkramp zu seiner Beobachtung abkommandiert hatte, besuchte er jeden Morgen die Piemburger Stadtbücherei, um sich mit einem neuen Band Dornford Yates zu versorgen, und jeden Abend kehrte er in sein mit Abhörmikrofonen gespicktes Heim zurück, um sich seiner Lektüre zu widmen. Wenn er schließlich zu Bett ging, lag er im Dunkeln und wiederholte sich seine Fassung von Coues berühmter Formel: »Jeden Tag und in jeder Hinsicht werde ich Berrier und Berrier«, eine Art der Autosuggestion, die beim Kommandanten eine kaum wahrnehmbare Wirkung hinterließ, den horchenden Verkramp aber zum Wahnsinn trieb.
    »Was zum Teufel soll das ganze bedeuten?« fragte er Sergeant Breitenbach, als sie sich die Tonbandaufnahmen dieser nächtlichen Bemühungen um die eigene Persönlichkeitsbildung anhörten.
    »Eine Beere ist sowas wie ‘ne Frucht«, sagte der Sergeant nicht sehr überzeugt.
    »Es kann aber auch irgendwas mit Beerdigen zu tun haben«, sagte Verkramp, dessen Geschmack mehr in Richtung Leiche ging, »aber warum zum Teufel wiederholt er es immer und immer wieder?«
    »Hört sich wie ‘ne Art Gebet an«, sagte Sergeant Breitenbach, »ich hatte mal ‘ne Tante, die in religiöse Raserei verfiel. Die betete den ganzen Tag…«, aber Luitenant Verkramp hatte keine Lust, Geschichten von Sergeant Breitenbachs Tante zu hören.
    »Ich verlange, daß er rund um die Uhr scharf beobachtet wird«, sagte er, »und sobald er mit irgendwas Verdächtigem beginnt, wie zum Beispiel, daß er sich einen Spaten kauft, lassen Sie es mich wissen.«
    »Warum fragen Sie denn nicht Ihre Hirnklempnerin…«, fragte der Sergeant und war über die Heftigkeit der Antwort Verkramps erstaunt. Er verließ das Büro mit dem deutlichen Eindruck, wenn es etwas gäbe, das Luitenant Verkramp nicht wollte, brauchte oder ersehnte, dann war es Frau Dr. von Blimenstein.
    Als er wieder allein war, versuchte Verkramp sich auf das Problem namens Kommandant van Heerden zu konzentrieren, indem er die Berichte über dessen Tätigkeiten durchsah.
    »Ging zur Bücherei. Ging ins Polizeibüro. Ging zum Golfclub. Ging nach Hause.« Die Regelmäßigkeit dieser unschuldigen Unternehmungen war niederschmetternd, und doch verbarg sich in diesem Trott das Geheimnis der schrecklichen Selbstsicherheit und des gräßlichen Lächelns des Kommandanten. Selbst die Mitteilung, daß die Kommunisten sein Haus mit Abhörmikrofonen verwanzt hätten, hatte ihn nur vorübergehend aus der Fassung gebracht, und soweit Verkramp die

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