Mohrenwäsche
Sache beurteilen konnte, hatte der Kommandant die Angelegenheit bereits vollkommen vergessen. Sicher, er hatte Dr. von Blimensteins Fragebogen verboten, aber nun, da Verkramp aus erster Hand wußte, wie es um das Sexualverhalten der Doktorin stand, mußte er zugeben, daß die Entscheidung klug gewesen war. Mit einer sich geradezu als (wörtlich gesprochen) Hintereinsicht erweisenden Erkenntnis wurde Luitenant Verkramp gewahr, daß er drauf und dran gewesen war, die sexuellen Gewohnheiten eines jeden Polizisten in Piemburg einer Frau zu offenbaren, die ein geballtes Interesse an diesem Thema hatte. Ihn schauderte es bei dem Gedanken, welchen Nutzen sie aus diesen Informationen hätte ziehen können, und wandte seine Aufmerksamkeit der Frage der rassenschänderischen Polizisten zu. Es war klar, daß er dieses Problem ohne Hilfe von außen angehen mußte, und nachdem er überlegt hatte, was ihm Frau Dr. von Blimenstein über die Behandlung erzählt hatte, machte er sich auf den Weg zur Stadtbücherei, teils, weil er nachsehen wollte, ob es dort irgendwelche Bücher über die Aversionstherapie gebe, aber auch, weil die Bücherei auf Kommandant van Heerdens Spazierrouten so oft vorkam. Eine Stunde später kehrte er mit einem Exemplar von Tatsache und Fiktion in der Psychologie von H. J. Eysenck zur Polizeidienststelle zurück, zufrieden, daß er das wichtigste Werk über die Aversionstherapie ergattert hatte, aber er war immer noch keinen Schritt näher am Verständnis der Veränderungen, die mit dem Kommandanten vor sich gegangen waren. Seine Nachforschungen über die Lesegewohnheiten des Kommandanten, die er wenig überzeugend mit der Bemerkung eingeleitet hatte, er denke daran, ihm ein Buch zu Weihnachten zu schenken, hatte nicht mehr ans Licht gebracht, als daß Kommandant van Heerden für Liebesromane schwärme, was nicht sehr hilfreich war.
Dr. Eysenck andererseits war es. Durch geschickte Benutzung des Registers gelang es Luitenant Verkramp, den Teilen des Buches aus dem Weg zu gehen, die seine intellektuellen Kräfte überfordert hätten, statt dessen konzentrierte er sich auf Beschreibungen von Heilungen, die mit Apomorphin und Elektroschocks erzielt worden waren. Besonders interessierte ihn der Fall des transvestitischen Lkw-Fahrers und der Fall des auf Korsette erpichten Ingenieurs, die beide zur Einsicht in den Irrtum ihrer Handlungsweise gekommen waren, und zwar dank Injektionen von Apomorphin im Falle des ersteren und Elektroschocks im Falle des letzteren. Die Behandlung war offenbar ganz einfach, und Verkramp hatte keinen Zweifel, daß er sie anzuwenden in der Lage sei, wenn man ihm nur die Möglichkeit dazu gäbe. Gar keine Schwierigkeiten bereiteten natürlich die Elektroschock-Apparaturen. In der Piemburger Polizeidienststelle lagen die Dinger massenweise herum, und Verkramp war überzeugt, daß der Polizeiarzt Apomorphin beschaffen könne. Das Haupthindernis bestand in der Anwesenheit von Kommandant van Heerden, dessen Widerstand gegen alle Neuerungen sich in der Vergangenheit für Luitenant Verkramp als so enorme Behinderung erwiesen hatte. »Wenn der alte Trottel doch bloß mal Urlaub machte«, dachte Verkramp, als er sich dem Fall des impotenten Buchhalters zuwandte, um zu seiner Enttäuschung festzustellen, daß dieser Mann geheilt worden war, ohne daß man zu Apomorphin und Elektroschocks hatte greifen müssen. Der Fall mit den Kinderwagen und den Damenhandtaschen war da viel interessanter.
Während Verkramp versuchte, Frau Dr. von Blimenstein zu vergessen, indem er sich ins Studium der Psychologie des Abnormen vertiefte, versuchte die Doktorin, die sich der fatalen Auswirkungen ihrer Sexualität auf Verkramps Achtung für sie nicht im klaren war, sich verzweifelt die vollständigen Einzelheiten ihrer gemeinsam verbrachten Nacht ins Gedächtnis zurückzurufen. Das einzige, woran sie sich noch erinnern konnte, war, daß sie, nach Auskunft des Krankenwagenfahrers als Epileptikerin klassifiziert, in die Rettungsstation des Piemburger Krankenhauses eingeliefert worden war. Als dieses Mißverständnis aufgeklärt war, hatte man ihren Zustand als sternhagelblau diagnostiziert, worauf ihr, wie sie sich nebelhaft erinnerte, der Magen ausgepumpt wurde, ehe man sie in ein Taxi gesteckt und nach Fort Rapier zurückgeschickt hatte, wo ihr Erscheinen am nächsten Morgen zu einer unerfreulichen Unterredung mit dem Direktor des Sanatoriums führte. Seitdem hatte sie mehrere Male mit Verkramp zu telefonieren
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