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Mohrenwäsche

Mohrenwäsche

Titel: Mohrenwäsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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sagte die Stimme, und der Kommandant drehte sich um und sah, daß der Vertreter mit den Flatulenzen hinter ihm stand und ihm zusah.
    »Sie tut das aber doch«, sagte der Kommandant, der die Bemerkung ziemlich dämlich fand.
    »Ein Zitat, ein Zitat«, sagte der Mann. »Tut mir leid, aber ich bin furchtbar versessen auf solche Dinge. Das ist keine besonders gesellige Angewohnheit, aber eine, die sich aus meiner Profession ergibt.«
    »Tatsächlich«, sagte der Kommandant kurz angebunden, denn er war nicht ganz sicher, was ein Zitat überhaupt war. Er holte seine Leine ein und stellte mit Bestürzung fest, daß seine Fliege verschwunden war.
    »Ich sehe, ich hatte also doch recht«, sagte der Mann. »Schuppig, omnipotent und nett.«
    »Wie bitte?« sagte der Kommandant.
    »Bloß noch ein Zitat«, sagte der Mann. »Vielleicht sollte ich mich vorstellen. Mulpurgo. Ich unterrichte Englisch an der Universität von Zululand.«
    »Van Heerden, Kommandant der Südafrikanischen Polizei Piemburg«, sagte der Kommandant und war von der Wirkung seiner Mitteilung auf Mr. Mulpurgo überrascht. Der war kreideweiß geworden und wirkte ausgesprochen beunruhigt.
    »Stimmt irgendwas nicht?« fragte der Kommandant.
    »Nein«, sagte Mr. Mulpurgo schwach. »Ganz und gar nicht. Es ist halt nur, daß… naja, ich hatte keine Ahnung, daß Sie… naja… daß Sie Kommandant van Heerden sind.«
    »Sie haben also schon von mir gehört?« fragte der Kommandant.
    Mr. Mulpurgo nickte. Es war nur zu deutlich, daß er schon von ihm gehört hatte. Der Kommandant baute seine Angel ab.
    »Ich glaube nicht, daß ich jetzt noch was fange«, sagte er. »Ist zu spät.«
    »Abends ist die beste Zeit«, sagte Mr. Mulpurgo und sah den Kommandanten neugierig an.
    »Ach ja? Das ist interessant«, sagte der Kommandant, als sie das Flußufer entlang zurückschlenderten. »Das ist mein erster Angelversuch. Sind Sie ein erfahrener Angler? Sie wissen anscheinend eine Menge darüber.«
    »Mein Verhältnis dazu ist rein literarisch«, gestand Mr. Mulpurgo, »ich schreibe eine Dissertation über den >Himmel«
    Kommandant van Heerden war erstaunt.
    »Ist das nicht ein sehr schweres Thema?« fragte er.
    Mr. Mulpurgo lächelte. »Es ist ein Gedicht über Fische von Rupert Brooke«, erklärte er.
    »Ach ja?« sagte der Kommandant, der zwar noch nie etwas von Rupert Brooke gehört hatte, aber immer daran interessiert war, von englischer Literatur zu hören. »Dieser Brooke ist ein englischer Dichter?«
    Mr. Mulpurgo bestätigte das.
    »Er fiel im ersten Weltkrieg«, erläuterte er, und der Kommandant sagte, das täte ihm leid. »Die Sache ist die«, fuhr der Englischdozent fort, »ich glaube, daß es einerseits möglich ist, das Gedicht ganz einfach als eine Allegorie auf die menschliche Situation, la condition humaine, zu deuten, wenn Sie verstehen, was ich meine, daß es aber auch eine tiefere Bedeutung im Sinne des psychoalchemistischen Transformationsprozesses besitzt, wie er von Jung entdeckt wurde.«
    Der Kommandant nickte. Er verstand nicht ein Wort von dem, was Mr. Mulpurgo sagte, aber er fühlte sich dennoch dadurch geehrt, daß er es zu hören bekam. Durch diese geduldige Ergebung ermutigt, steigerte sich der Dozent in sein Thema hinein.
    »Zum Beispiel die Verse >Man zweifelt nicht, was allen frommt, aus Sumpf und Wasser oftmals kommt< deuten zweifellos an, daß der Dichter die Absicht hat, den Begriff des Steins der Weisen und seine Herkunft aus der prima materia einzuführen, ohne die Aufmerksamkeit des Lesers auch nur im geringsten von dem, oberflächlich gesehen, humorvollen Ton des Gedichts abzulenken.«
    Sie gelangten an das kolossale Abwasserrohr, und Mr. Mulpurgo half dem Kommandanten mit seinem Korb hinüber. Der offensichtliche Schreck, mit dem er auf den Namen des Kommandanten reagiert hatte, war angesichts des freundlichen, wenn auch verständnislosen Interesses einer nervösen Schwatzhaftigkeit gewichen.
    »Es handelt sich ohne jeden Zweifel um das Individuationsmotiv«, fuhr er fort, als sie den Pfad zum Hotel hinaufspazierten. »»Paradiesische Maden<, >Unvergängliche Mottens<, >Und der Wurm, der niemals stirbt< – alle deuten sie zweifellos darauf hin.«
    »Da haben Sie sicher recht«, sagte der Kommandant, als sie sich im Foyer voneinander trennten. Er ging den Korridor entlang zu »Dickdarmspülung Nr. 6« und fühlte sich irgendwie erhoben. Er hatte den Nachmittag auf echt englische Art mit Angeln und einem intellektuellen Gespräch verbracht.

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