Mohrenwäsche
Das war ein glückverheißender Beginn seines Urlaubs und machte in gewisser Weise die Enttäuschung wieder wett, die er bei seiner Ankunft im Hotel empfunden hatte. Um das Ereignis zu feiern, beschloß er, vor dem Abendessen ein Bad zu nehmen, und verbrachte einige Zeit mit der Suche nach einem Badezimmer, ehe er wieder in sein Zimmer zurückging und sich von oben bis unten in einem Bottich wusch, der zu diesem Zweck höchst geeignet erschien und höchstwahrscheinlich zu keinem anderen benutzt worden war. Wie der Alte ihn gewarnt hatte, war das kalte Wasser heiß. Der Kommandant probierte den Heißwasserhahn, aber der war genauso heiß, und schließlich besprengte er sich mit warmem Wasser aus einem Schlauch, der eindeutig zu dick war, um als Klistier gedient zu haben, ihm aber gleichzeitig einen ausgesprochen merkwürdigen Geruch anhängte. Dann setzte er sich auf das Bett und las vor dem Abendessen noch ein Kapitel aus Berry & Co. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren, denn ganz egal, wie er sich auch setzte, immer saß ihm sein geflecktes Spiegelbild im Kleiderschrankspiegel gegenüber, was ihm das Gefühl gab, es sei die ganze Zeit jemand bei ihm im Zimmer. Um diese unfreiwillige Selbstbeobachtung zu umgehen, legte er sich zurück und versuchte, dahinterzukommen, wovon Mr. Mulpurgo eigentlich geredet hatte. Es hatte ihm vorhin nichts gesagt, und jetzt noch weniger, aber der Satz »Und der Wurm, der niemals stirbt« saß ihm hartnäckig im Gedächtnis. Irgendwie erschien ihm der Satz unwahrscheinlich, aber wenn er sich überlegte, daß Würmer in zwei Teile gerissen werden konnten und trotzdem in getrennten Leben weiterleben, dann, stellte er sich vor, sei es auch möglich, daß, wenn das eine Wurmende todkrank wäre, das andere Ende sich vom Tode seines Kompagnons trennen und weiterleben könne. Vielleicht war es das, was mit »Endlösung« gemeint war. Das war ein Wort, das er nie verstanden hatte. Er mußte Mr. Mulpurgo danach fragen, der offensichtlich ein hochgebildeter Mann war.
Aber als er zum Abendessen in die Brunnenhalle ging, war Mr. Mulpurgo nicht da. Die beiden Damen auf der anderen Seite des Raumes waren die einzige Gesellschaft, und da ihre geflüsterte Unterhaltung durch das Gurgeln des Marmorbrunnens nicht zu verstehen war, aß der Kommandant sein Abendbrot notgedrungen schweigend und sah zu, wie hinter dem Aardvarkberg der Himmel dunkel wurde. Morgen würde er die Adresse der Heathcote-Kilkoons finden und sie wissen lassen, daß er angekommen war.
Siebzig Meilen entfernt in Piemburg kam der Abend, der so ereignislos begonnen hatte, gegen Mitternacht zu neuem Leben. Die zwölf gewaltigen Detonationen, die die Stadt um halb zwölf im Minutenabstand erschütterten, waren taktisch so geschickt plaziert, daß sie Luitenant Verkramps Behauptung, es gebe einen gut organisierten Sabotage- und Umsturzkomplott, voll und ganz bestätigten. Nachdem die letzte Bombe den Horizont in helles Licht getaucht hatte, versank Piemburg noch tiefer in jene Finsternis, für die es so berühmt war. Ohne Strom, Telefon und Sendemast, ohne Straßen- und Eisenbahnverbindungen zur Außenwelt, die durch die Sprengwut von Verkramps Geheimagenten unterbrochen waren, zerbröselten die zarten Bande, mit denen die winzige Metropole ans zwanzigste Jahrhundert gekoppelt war.
Vom Dach des Polizeibüros aus, wo Verkramp frische Luft schnappte, kam ihm die Veränderung ziemlich aufregend vor. Eben war Piemburg noch ein duftiges Gewebe aus Straßenlampen und Neonreklamen gewesen, und im nächsten Moment verschmolz es ununterscheidbar mit den welligen Hügeln von Zululand. Als das ferne Donnern vom Kaiserblick verkündete, daß der Sendemast nicht länger so ein riesiger Schandfleck in der Landschaft war, verließ Verkramp das Dach und eilte die Treppe hinunter zu den Zellen, wo die einzigen Leute in der Stadt, die sich energisch für Stromsperren eingesetzt hätten, von den handbetriebenen Generatoren im Dunkeln noch immer ihre Elektroschocks erhielten. Der einzige Trost für die Freiwilligen war, daß die nackten schwarzen Frauen verschwunden waren, als die Projektoren ausgingen.
In dem ganzen Durcheinander blieb Luitenant Verkramp erschreckend ruhig.
»Alles in Ordnung«, rief er. »Kein Grund zur Besorgnis, setzen Sie das Experiment einfach mit normalen Fotos fort.« Er ging von Zelle zu Zelle und verteilte Taschenlampen, die er für einen Fall wie eben diesen bereitgehalten hatte. Wie üblich war Sergeant Breitenbach
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