Mohrenwäsche
mehrere Tage lang hatte erdulden müssen, und alles in allem das Gefühl, daß er auf irgendwie unerklärliche Weise nicht willkommen war, so wuchs in ihm die Überzeugung, daß er einigen Grund zur Klage hatte. Und das war nicht alles. Die Kluft, die zwischen dem Benehmen der Heathcote-Kilkoons und dem der Helden in Dornford Yates’ Romanen lag, war offenkundig. Berry & Co. endeten nicht sternhagelblau unter dem Tisch, es sei denn, irgendein französischer Hochstapler hatte ihnen irgendwas in den Champagner getan. Berry & Co. luden keine versoffenen Lesbierinnen zum Abendessen ein. Berry & Co. ritten nicht in Fummeln im Lande rum… Schön, wo er jetzt genau darüber nachdachte, gab es diese Geschichte in Jonah & Co. in der sich Berry als Frau verkleidete. Aber vor allem hatten Berry & Co. keinen Umgang mit Wachtmeister Eis, sei er tot oder nicht. Das war gewiß.
Der Kommandant lag in seinem Bett in »Dickdarmspülung Nr. 6« und hätschelte seine Bedenken, bis das, was als Ernüchterung begonnen hatte, eine ausgewachsene Wut war.
So lasse ich mich einfach von niemandem behandeln, dachte er, während er sich die verschiedenen Kränkungen in Erinnerung rief, die er sich hatte gefallen lassen müssen, besonders von dem Dicken beim Dinner. Farbige Familie, wirklich, dachte er, ich werde dir was färben. Er stand auf und blickte auf sein Bild in dem fleckigen Spiegel.
»Ich bin Kommandant van Heerden«, sagte er zu sich selbst und blähte seinen Brustkorb, um seine Autorität zu zeigen, und war erstaunt über die heftige Aufwallung seines Stolzes, die diesem Eingeständnis seiner Identität folgte. Einen Augenblick schloß sich die Kluft zwischen dem, was er war, und dem, was er gern gewesen wäre, und er faßte die Welt mit dem ganzen Spott eines Mannes ins Auge, der sich aus eigener Kraft nach oben gearbeitet hatte. Er dachte gerade über die möglichen Folgen dieser ungewohnten Selbstzufriedenheit nach, als es an der Tür klopfte.
»Herein«, rief der Kommandant und sah zu seiner Überraschung Mrs. Heathcote-Kilkoon in der Tür stehen.
»Na?« sagte der Kommandant forsch und außerstande, in so kurzer Zeit von schroffer Autorität auf normale Höflichkeit umzuschalten, die die neue Situation klar erforderte. Mrs. Heathcote-Kilkoon sah ihn zerknirscht an.
»Oh, Darling«, flüsterte sie, »ach, mein Darling«. Demütig stand sie vor ihm und sah auf ihre makellosen malvenfarbenen Handschuhe hinunter. »Ich schäme mich so. Ich schäme mich so schrecklich. Wenn ich denke, daß wir Sie so schlecht behandelt haben.«
»Ja. Schön«, sagte der Kommandant unsicher, aber es hörte sich immer noch so an, als verhöre er einen Verdächtigen.
Mrs. Heathcote-Kilkoon ließ sich auf das Bett nieder und starrte auf ihre Schuhe.
»Es ist alles meine Schuld«, sagte sie schließlich. »Ich hätte Sie niemals bitten sollen, hierher zu kommen.« Sie blickte sich in dem gräßlichen Zimmer um, zu dem ihr gastfreundliches Angebot den Kommandanten verdonnert hatte, und seufzte. »Ich hätte nicht so dumm sein und mir einbilden sollen, Henry werde sich anständig benehmen. Er hat was gegen Fremde, verstehen Sie?«
Der Kommandant verstand. Es erklärte ihm zum Beispiel die Anwesenheit von La Marquise. Eine französische Lesbierin mußte einem transvestitischen Colonel natürlich außergewöhnlich zusagen.
»Und dann sein armseliger Club«, fuhr Mrs. Heathcote-Kilkoon fort. »Es ist weniger ein Club als eine Geheimgesellschaft. Oh, ich weiß, Sie denken, das ist alles schrecklich unschuldig und harmlos, aber Sie müssen nicht damit leben. Sie begreifen ja nicht, wie unanständig das alles ist. Die Maskerade, die Verstellung, die ganze Schande.«
»Sie meinen, er ist nicht echt?« fragte der Kommandant, der die volle Tragweite von Mrs. Heathcote-Kilkoons Ausbruch zu erkennen versuchte.
Mrs. Heathcote-Kilkoon sah ihn überrascht an.
»Sagen Sie mir bloß nicht, sie hätten Sie auch reingelegt«, sagte sie. »Natürlich ist er nicht echt. Verstehen Sie nicht? Keiner von uns ist das, was er zu sein vorgibt. Henry ist kein Colonel. Boy ist kein Major. Er ist nicht mal ein Boy, wenn man’s genau nimmt, und ich bin keine Lady. Wir alle spielen bloß Rollen, alle sind wir schreckliche Schwindler.« Sie saß auf der Bettkante, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Was sind Sie dann?« fragte der Kommandant.
»Oh Gott«, stöhnte Mrs. Heathcote-Kilkoon, »müssen Sie unbedingt fragen?«
Sie saß da und weinte, während der
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