Molly Becker 01 - Hilfe, ich bin reich
weiß.«
»Wow! Daran sieht man mal wieder, wie schnell man ins Verderben rennen kann«, sinniere ich und nehme einen Schluck von meinem Prosecco, der inzwischen warm ist und scheußlich schmeckt.
»Ja, und dass Geld eben doch nicht alles ist«, fügt Tessa weise hinzu, woraufhin Lissy und ich einen schnellen Blick wechseln.
Die Wahrheit ist nämlich die: Tessa hat Geld. Oder besser gesagt, ihr Vater. Der ist Immobilienmakler, und theoretisch arbeitet Tessa bei ihm. Wir dagegen haben den Verdacht, dass sie sich die meiste Zeit in irgendwelchen Schönheitssalons und beim Shopping herumtreibt, wenn sie außer Haus ist.
Was aber jetzt kein Vorwurf sein soll. Tessa ist zwar manchmal ein bisschen überspannt und nervt mit ihrer ständigen Angst vor dem Älterwerden (sie ist fünfundzwanzig!), aber trotzdem können wir sie gut leiden. Und so ganz nebenbei hat die Freundschaft mit ihr den Vorteil, dass wir immer so lange gratis in irgendwelchen Wohnungen oder Häusern wohnen dürfen, bis Tessas Vater einen Käufer dafür gefunden hat. Einzige Bedingung dabei ist, dass wir ein bisschen bei der Renovierung helfen. (In Wirklichkeit scheuchen wir nur die Handwerker rum, und manchmal flirten wir auch mit ihnen. Einmal hat Lissy sogar irrtümlich mit einem Klempner geschlafen – irrtümlich deswegen, weil der sie danach gar nicht heiraten wollte, wie er ihr versprochen hatte.) Und außerdem meint Tessas Vater, dass man die Objekte besser verkaufen kann, wenn sie von modernen jungen Menschen bewohnt werden. So hat er was davon und wir auch. Seit Jahren brauchen wir keine Miete zu zahlen und haben trotzdem immer eine Bleibe. So wie jetzt in dieser Supervilla, für die er aber mysteriöserweise schon seit Monaten keinen Käufer findet.
»Hm«, sage ich nachdenklich. »Ich glaube, es lag weniger am Geld als vielmehr am Alkohol. Immerhin hat er damit Tante Gertrud vertrieben, und seine übrigen Entscheidungen waren ja auch nicht gerade die cleversten.«
»Schon wahr«, stimmt Tessa mir zu. »Apropos Alkohol: Der Prosecco ist ganz warm geworden. Haben wir noch eine Flasche im Kühlschrank?«
Lissy zögert. »Meinst du nicht, wir sollten ein bisschen vorsichtiger damit umgehen? Ich meine, wenn man bedenkt, was sich Onkel Franz mit der Trinkerei eingehandelt hat …«
Tessa guckt sie einen Moment lang erstaunt an, dann macht sie eine wegwerfende Handbewegung. »Das kannst du doch nicht mit uns vergleichen. Etwas trinken oder sich be trinken ist ein Riesenunterschied. Außerdem sind wir ja nicht reich, also kann uns gar nichts passieren.« Sie strahlt, als hätte sie uns gerade an einer ganz enormen Erkenntnis teilhaben lassen.
Nachdem wir unsere Gläser mit frischem Prosecco aufgefüllt haben, beugt sich Tessa auf einmal mit verschwörerischer Miene vor.
»Wisst ihr was? Er hätte es nicht verraten dürfen«, sagt sie.
»Was denn?« Ich habe keine Ahnung, was sie meint.
»Seinen Lottogewinn. Onkel Franz hätte es niemandem sagen dürfen.«
»Niemandem? Auch nicht Tante Gertrud?«, sagt Lissy zweifelnd.
»Kann Tante Gertrud denn ein Geheimnis bewahren?«, fragt Tessa zurück.
Lissy denkt einen Moment lang nach, dann schüttelt sie den Kopf. »Nein, ich glaube nicht. Tante Gertrud ist eher … kommunikativ.«
»Du meinst, sie ist eine Klatschtante.«
Lissy nickt widerstrebend.
»Ich glaube, Tessa hat recht«, sage ich nachdenklich. »Hätte dein Onkel geschwiegen, wäre ihm all das erspart geblieben. Die Leute hätten ihn nicht angebettelt, keiner wäre neidisch gewesen, und die Betrüger wären dann gar nicht erst auf ihn gekommen.« Ich nippe an meinem Glas. »Er hätte einfach die Klappe halten müssen.«
Einen Moment lang hängen wir unseren Gedanken nach.
»Glaubt ihr, das geht?«, sagt Lissy dann plötzlich. »Millionen gewinnen und es niemandem sagen? Ich meine, man kann sich dann auf einmal alles Mögliche leisten, und das würde doch auffallen. Wozu hat man denn das ganze Geld, wenn man es nicht ausgeben kann?«
Gute Frage.
»Seht ihr, mit so einem Gewinn hat man nichts als Scherereien«, verkündet Tessa. »Außerdem: Uns geht’s auch so nicht schlecht, oder?« Sie nickt uns aufmunternd zu.
Lissy und ich wechseln wieder einen Blick.
»Also, ich könnte schon ein bisschen Geld gebrauchen«, meint Lissy dann wehmütig. »Ihr wisst ja, was man als Anwaltsgehilfin verdient, und mein Studium …« Sie seufzt. » …das wird noch Jahre dauern.«
Ich kann Lissy gut verstehen. Sie ist superfleißig und studiert
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