Moloch
sicher, ob er sich in einem Fort sicher fühlen würde, das nach dem Helden von Alamo benannt worden war. Warum, so fragte er sich, hatten Amerikaner sich wegen eines »Anti-Amerikanismus« derart in Rage bringen lassen, während es ihnen offensichtlich nicht das Geringste ausmachte, anti-französisch oder gar anti-englisch zu sein? Speziell diese Sünde hatte er nie begriffen. Aber das war die Ironie seines Lebens.
Er schüttelte unwillkürlich den Kopf, während er nach vorne sprengte, um sich mit Major Nye zu beraten. Alle Zeichen deuteten auf den Süden hin. Am besten ließen sie die Kosaken in ihrem Schwung bis zu den Stränden vordringen, während sie selbst sich absetzten und sicherere politische Verhältnisse suchten. Ihm war egal, was die anderen dachten, aber er war unterwegs nach Texas und würde nicht anhalten, ehe er den Rio Grande überquert hätte.
»Sie wissen, was Sie in Texas erwartet«, sagte er.
Mrs. Persson zügelte ihr Pferd neben ihm. »Nennt man Sie dort nicht noch immer den Raben?«
»Wahrscheinlich in Baltimore«, klärte er sie auf. »Es wird wohl an der Kleidung liegen«, fügte er hinzu. »Sartor resartus, hm? Ich hab’s gerade noch mal gelesen.«
Sie war tolerant, aber für ihren Geschmack war seine Erwähnung der alten Zeiten ein wenig zu sehr von Selbstmitleid geprägt. Gleich würde er in seine Satteltasche greifen und einen Stetson aufsetzen.
»Ich begleite Sie bis nach Laredo«, sagte sie. »Aber ich möchte weiterziehen bis nach Guadalajara. Ich will dort jemanden treffen. Dann geht’s weiter nach Mexico City und von dort mit dem Flugzeug nach Rio. Nach all dieser Aufregung brauche ich ein wenig Portugiesisch.«
Major Nye zupfte an seinem Schnurrbart. Seit er Erzbischof Beesleys Bart gesehen hatte, war er wegen seiner eigenen Gesichtsbehaarung ein wenig verunsichert und hatte Angst, dass sich irgendwelche Speisereste darin verfangen haben könnten. »Ich brauche nur bis Belize zu kommen, daher biege ich sobald nötig nach rechts ab. Dort wird es mir rundum gut gehen. Es ist mehr oder weniger immer noch britisch.«
Jerry zügelte sein nervöses Pony. »Wir dachten immer, der Süden würde sich wieder erheben.«
»Das mit dem Wetter ist wirklich seltsam.« Major Nye dachte voller Nostalgie an seine guten alten Monsunregen. »Haben Sie Probleme mit den Moskitos?«
Jerry drehte sich um und suchte traurig nach der Quelle einer vertrauten Stimme. Aber es war nur seine Mutter gewesen, die er gehört hatte. Er unterdrückte einen Anflug von Zorn, der aus Selbstmitleid entstanden war.
»Das Wetter ist wirklich seltsam«, sagte er. »Bei der spanischen Armada und bei der Luftwaffeninvasion von Großbritannien war es genauso. Kaum denkt man, man ist am Ende, schon kommen Wind oder Regen auf, und alles sieht gleich ganz anders aus. Manchmal muss man wirklich annehmen, dass es im Universum so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit gibt. Oder dass Gott ein Engländer ist. Diejenigen, die von der Großen Weltmaschine leben, werden am Ende von ihr niedergewalzt.«
Sie alle sahen ihn mit einer Mischung aus Abscheu und Verwirrung an.
»Sie werden doch wohl nicht bei uns die Prediger-Nummer abziehen, alter Junge?«, fragte Major Nye. Zu Lebzeiten seines Vaters hatte er in ihrem Dorf vier Vikare verjagt, die versucht hatten, ihre Predigten mit unerwünschter Tiefgründigkeit zu würzen. Zwei hatten Gott mit dem Wetter verglichen.
»Ich hab etwas darüber im Telegraph gelesen.« Jerry wusste mittlerweile, wie man sich schnellstens aus einem englischen Schützenloch befreite. Aber er musste feststellen, dass er immer noch ein wenig eingerostet war, sonst wäre er gar nicht erst hineingeraten.
Nichts von alledem, da war er sich sicher, hätte passieren können, wenn er als Kind mehr modernistische Literatur gelesen hätte.
»Stören Sie sich nicht an ihm.« Mrs. Persson war überrascht über sich selbst, dass sie Jerry zu Hilfe eilte. Sie legte eine Hand auf seinen Arm, während er den Zeh anhob, um sich erneut gegen das Bein zu treten. »Er leidet unter einer Bombenneurose. Oder er hat darunter gelitten. Er hat die Augen seiner Mutter. Ich trinke ein helles Export. Mit sechs Buchstaben.«
Während die anderen nachdachten, ergriff sie die Zügel des Pferdes und führte es weg.
»Komm schon«, sagte sie. »Hier gibt es für uns nichts zu holen.«
Jerry entspannte sich. Aus einer Satteltasche holte er seine kleine Ukulele heraus. Er würde eine Weile brauchen, um sie zu
Weitere Kostenlose Bücher