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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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Fingern, die nach unten deuten, während er gestikuliert. Silhouette ist so mager wie ein Model. Seine Knie sind dicker als die Unterschenkel, er ist – wie originell – ganz in schwarz gekleidet, und er hat sein Gesicht komplett wegretuschiert. Nur ein schwarzer Fleck, keine Augen, kein Mund. Oh, Daddy Cool!
    Mir reicht ein Blick, und ich weiß, was für ein Typ er ist. Meine Generation, verstehen Sie, hat nie im Krieg gekämpft. Als wir aufgewachsen sind, haben wir uns Katastrophen im TV angesehen und uns um unsere Klamotten gekümmert. Dieser Typ hat den Kopf so gedreht, dass wir seine markanten Wangenknochen bewundern können. Er ist vermutlich achtzig Jahre alt und macht sich Sorgen um sein Aussehen.
    Und natürlich hat er ein Manifest zu verkünden. Seine Stimme klingt wirklich unheimlich, bis mir klar wird, dass sie absichtlich unkenntlich gemacht worden ist, um kein identifizierbares Stimmmuster zu hinterlassen. Es hört sich an, als würde er unter Wasser sprechen.
    »Ihr plündert alte Menschen aus, und nur weil wir nicht weglaufen oder zurückschlagen können, nehmt ihr uns alles, was wir besitzen. Ihr lasst uns in schäbigen Wohnungen hausen oder sperrt uns in teure Gefängnisse, die ihr Heime nennt. Ihr zahlt uns nicht die versprochenen Renten. Wenn wir krank werden, sagt ihr uns, dass die Versicherungen, in die wir unser Leben lang eingezahlt haben, nicht die Pflegekosten übernehmen. Ihr wollt, dass wir sterben. Schön. Wir werden sterben. Und wenn es so weit ist, werden wir euch alles wegnehmen, was ihr besitzt.«
    Und wissen Sie, was das Gruseligste daran ist? Ich kenne seine Geschichte. Ich weiß genau, was Silhouette meint.
    »Age Rage«, sagt er und ballt eine Faust.
    Alterswut – was für ein schmissiger Slogan.
     
    Am nächsten Tag bin ich wieder mit Gus unten in der Bar. Ich habe Jazzanova mitgenommen, als wäre er mein Glücksbringer. Gus hat seine Freundin Mandy dabei. Mandy war einmal Nackttänzerin. Sie hat immer noch einen tollen Körper, glauben Sie mir.
    »Das Problem mit diesem Abschaum ist, dass er uns die Bullen auf den Hals hetzt«, sagt Mandy.
    »Yup«, bestätigt Gus. »Wir werden auf der Straße landen.«
    »Wenn es dazu kommt, nehme ich Curtis mit mir«, verspreche ich. »Ich habe belastendes Material über den Typen.«
    Mandy ist nicht beeindruckt. »Gut. Sie können sich ja einen Pappkarton teilen. Ich hoffe, dann fühlen Sie sich besser.«
    Wir sind zu alt, um Angst zu haben, wir wenden der Furcht einfach den Rücken zu. Sollte uns die Angst packen, würde sie uns überwältigen, uns lähmen, uns klein, schwach und alt machen. Deshalb müssen wir wie altes ausgetrocknetes Leder sein, das einmal weich war, jetzt aber hart wie Stein ist.
    Die Guten Feen hören wortlos zu. Sie sind so beherrscht wie ein Stück Scheiße. Ich meine, ich kenne keine Typen außer ihnen, die ihre Genitalien im Griff haben. Sie haben vor fünfzig Jahren geheiratet und seither nur miteinander gefickt. Liegt wohl an Aids.
    Manchmal sprechen sie synchron. Wie Zwillinge, die gleich nach ihrer Geburt in eine enge Kammer eingesperrt worden sind. »Wir müssen Silhouette ausschalten.«
    Die Uhr tickt, während wir darüber nachdenken. Stimmt. Tick, tick, tick. Wer? Wir? Tick, tick, tick.
    Plötzlich brechen wir alle in brüllendes Gelächter aus. Mandy hustet wie ein Hund, dem man die Stimmbänder durchtrennt hat. Gus quiekt. Ich weiß, ich klinge wie eine Kiesmühle. Jazzanova, der ins Nichts starrt und nicht ausgeschlossen sein möchte, lacht die Leuchtstoffröhre an. Dann stopft er sich einen Chip vom Tisch in den Mund, den er für eine Pille hält.
    »Die Neurobic-Gang!«, bellt Mandy.
    Die Guten Feen halten Händchen und nuckeln an ihren Zigaretten. In ihren Gesichtern regt sich kein Muskel.
    »Es dürfte sehr lustig in diesem Pappkarton werden«, sagt Fee Nummer eins schließlich ganz ruhig.
    »Besonders wenn es regnet«, fügt Nummer zwei hinzu. Der Typ ist knapp eins sechzig groß und hat einen schütteren Bart. Er sieht aus wie ein gescheiterter Drag King, nennt sich aber selbst Thug, was wohl irgendein Witz sein muss.
    »Ja, ihr seid schon ein paar schräge Vögel«, sagt Mandy. »Ich verstehe ja, worauf ihr hinauswollt, aber was sollen wir tun?«
    Fee Nummer eins nennt sich JoJo, obwohl ich darauf wetten würde, dass er in Wirklichkeit George heißt. »Wir verlangen von ihm, damit aufzuhören«, erklärt er.
    »Ach, ja? Klar, doch!«
    »Sein Standpunkt ergibt keinen Sinn. Er sagt, er würde

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