Moloch
besserer Mann als ich.
»Es tut mir Leid, Billy«, sage ich und meine damit alles, was vorgefallen ist.
An diesem Abend gehen Jazza und ich auf ein Bier in die Bar der Happy Farm, aber J ist in schlechter Verfassung. Er stiert einfach vor sich hin. Neurobic hat eine benebelnde Wirkung auf ihn. Sie haben ein neues Gerät an seinem Handgelenk angebracht, das ihm in regelmäßigen Abständen seine Medikamente zuführt. Er zuckt jedes Mal leicht zusammen und stöhnt, wenn er eine Dosis erhält. Wir sitzen mit Gus zusammen.
Gus zieht so eine niedliche kleine Hippie-Nummer ab. Er sagt, er hätte Plankton an Länder wie Paraguay verkauft, womit sie ihren Kohlendioxydausstoß verrechnen konnten. Also wirklich! Jeder, der bei klarem Verstand war, wusste ganz genau, dass es nicht funktionierte, und niemand hat daran etwas verdient. Tatsächlich haben die Leute damit sogar ihr letztes Hemd verloren.
Deshalb frage ich mich, woher Gus sein Geld für das Heim nimmt. Ich meine, man sehe sich nur diesen schmierigen kleinen Knaben an, der sich zu viele Drogen reingepfiffen hat. Er hört sich einfach zu abgedreht für einen Öko-Krieger an.
»Haben Sie von dieser S.A.S.-Sache gehört?«, fragt er mich.
»Nur weil es meine Enkelin war, die überfallen worden ist. Ich wusste nicht, dass unsere Nachrichten hier zensiert werden.«
»Ich habe etwas, um die Filter rauszufiltern«, sagt er. »Hier geht es um Nachrichten, über die wir informiert sein müssen.«
»Die Geschichte mit meiner Enkelin?«
»Nein. Sehen Sie mich an. Die Typen, die das machen, sind eine organisierte Gruppe. Eigentlich mehrere über das ganze Land verteilte Gruppen, aber sie sind alle miteinander vernetzt und ausschließlich alte Knacker. Und sie ziehen eine ganze Menge von diesen Sachen ab.«
Plötzlich werde ich mir all der Überwachungssysteme um uns herum bewusst. »Und?«
»Das ruiniert unseren Ruf«, oder »Harmlose alte Typen wie wir, die sich die Zeit mit Computerspielen und Physiotherapie vertreiben.« Gus’ Augen sind klar und fest wie Bergkristalle.
Ich wusste es. Gus ist ein Spieler.
»Wie viel… äh… Trinkgeld geben Sie Curtis?«, erkundige ich mich.
Sein Gesichtsausdruck und sein Lächeln verraten nicht das Geringste. »Zu viel«, erwidert er und hebt die Augenbrauen leicht.
»Sonst noch jemand?«, frage ich, womit ich meine, wer die anderen Spieler sind. Es tut gut zu wissen, dass man selbst in unserem Alter neue Freunde finden und Bekanntschaften schließen kann.
»O ja«, sagt er, während er den Blick wandern lässt. »Wie wär’s mit den Guten Feen für den Anfang?«
Die »Guten Feen« sind ein Pärchen, das schon seit fünfzig Jahren zusammen ist. Sie blicken von ihrem Tisch auf. Für meinen Geschmack wirken sie eher ziemlich bösartig.
»Ich besorge Ihnen diesen Filter«, verspricht Gus.
Er hält Wort, ich bekomme eine Mail. Es dauert eine Weile, bis ich etwas damit anfangen kann, weil sich der Download als Pornobilder tarnt. Nach einigen Versuchen knacke ich schließlich den Code. Als ich ihn uploade, erhalte ich eine andere Darstellung der Nachrichten.
Also lade ich meine Zeitung und lese den Hintergrundbericht.
Diese Gruppe, die meine Enkelin überfallen hat, treibt es schon seit Monaten. Alte Typen, die intelligente Kamera/Waffensysteme in ihre Gewalt bringen, Clubs mit Lähmgas fluten oder riesige Mengen von Besuchern mit Elektroschocks außer Gefecht setzen. Dann klauen sie ihnen alle Brieftaschen und Armbanduhren, während die Systeme, die eigentlich die Besucher schützen sollen, so umgepolt werden, dass sie sich gegen die Opfer richten.
Es gibt paralysierte Omas, Babys und hübsche junge Mädchen, die ihr Leben unbehelligt genießen sollten. Ich hatte nie auch nur eine Spur von Verständnis für Verbrechen, die mit direkter Gewaltanwendung einhergehen. Geld ist eine Form von Magie, eine Religion. Will man an Geld herankommen, muss man nur in die Kirche marschieren und sich bedienen. Dabei wird niemand verletzt.
Ganz anders diese Knacker. Für sie gehört es zum Spiel, Menschen zu verletzen. Es sind nicht einmal richtige Gauner. Gauner wollen unsichtbar bleiben. Diese Typen aber sind so dämlich und bösartig, dass sie das Licht der Öffentlichkeit suchen.
Sie haben einen verrückten Anführer, der sich »Silhouette« nennt. Lieber Jesus, ist das zu glauben? Wahrscheinlich wollte er in seiner Jugend jemand wie Eminem sein. Er fuchtelt sogar jetzt noch so bescheuert herum, mit spastisch gespreizten
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