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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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Einrichtung des Schuppens zu erfassen: zwei niedrige Stühle, eine Kiste, die als Tisch diente (auf dem ein Fixerbesteck lag), ein Regal mit zerfledderten Büchern und Magazinen (war das da eine Ausgabe von Mirror World?), eine Schüssel und eine Wasserkanne, eine dünne, säuerlich riechende Baumwollmatte, die auf eine Reihe von Kisten gelegt war – und auf der Matte: Milagra Eventyr.
    Die erschreckend magere Frau erinnerte an das hübsche, flirtende Mädchen aus dem Februar in etwa so, wie man beim Anblick eines Rechens an eine Gitarre denken musste. Der Oberkörper war abgezehrt, die Gelenke traten erschreckend hervor, die Wangen waren extrem eingefallen, der Körper war vom Gebrauch der Nadeln gezeichnet. Allein Milagras langes tiefschwarzes Haar, das so fein war wie bei einem Baby, erinnerte an ihr einst so blendendes Aussehen.
    Beim Aufflackern der Lampe regte sich Milagra und stöhnte. Sie machte die Augen auf, schien aber nicht wirklich etwas zu sehen. »Oh, Mopsy, es tut so weh, so weh! Und die Razoos! Sie sind überall! Ich glaube, eine hat es in meinen Bauch geschafft! Mopsy, bitte, ich brauche meinen Schuss! Oder wenigstens etwas Irrensuppe!«
    »Ist es der Entzug, der sie so verrücktes Zeugs reden lässt?«, wollte Diego wissen.
    Zohar hatte sich neben dem Bett auf den Boden – der nichts weiter war als festgetretene Erde – gehockt und packte eine Spritze aus. »Sie redet nicht wirr. Milagra ist in Milkville geboren und aufgewachsen. Diese Gemeinde ist zehntausend Blocks entfernt, und sie benutzen dort viele Worte, die wir nicht kennen. Ein Razoo ist eine Ratte, und Irrensuppe ist Alkohol.« Zohar band Milagra den linken Oberarm ab, fand die vernarbte Ader und injizierte ihr die Hälfte dessen, was in der Spritze war. Sie stieß einen tiefen Seufzer aus, und fast sofort entspannte sich ihr ganzer Leib, der allen erduldeten Schmerz vergaß.
    Ein Zug polterte vorüber, kleine Stücke Rost lösten sich von der Decke. Zohar atmete zutiefst erleichtert aus, richtete sich auf und lächelte Diego tapfer an. »Ich würde dir gerne irgendetwas anbieten, Dee, aber wie du selbst siehst, findet sich im Vorratsraum momentan weder Kaviar noch Champagner.«
    »Zoh, du kannst so nicht weitermachen! Diese Zustände sind doch katastrophal!«
    »Ach, Dee, ich möchte ja selbst nicht in einer solch schäbigen Umgebung leben. Aber welche Wahl habe ich denn? Auch wenn sich der Nachschub an Stoff wieder einpendelt, wird das Geld für alles andere weiter fehlen.«
    Diego kämpfte einen Moment lang mit sich, dann siegte der Wohltäter in ihm über den Wunsch, standhaft zu bleiben, und er sagte: »Gimlett will mehr Schuppen haben.«
    »Aber, Diego! Das löst doch alle Probleme!«
     
    Das Lager im hinteren Teil von Gimletts Geschäft roch nach Zwiebeln und Kohl, Bananen und Petersilie, und es war so kalt wie ein Glyptis-Heizkörper. Zu dieser fortgeschrittenen Stunde weit nach Mitternacht drang durch die schwere Tür zum Lager nichts mehr vom Tratschen der Hausfrauen, die das Obst und Gemüse auf seine Festigkeit prüften. Das Geschäft war geschlossen, die Eingangstür verriegelt und die Beleuchtung ausgeschaltet. Gimlett umkreiste seine beiden freiberuflichen Diener, als handele es sich um zwei exotische Früchte, deren Preis er zu bestimmen versuchte. Während er ihnen seinen Schuppenanhänger hinhielt, wiederholte er zum letzten Mal, was er benötigte.
    »Wenn ihr ausschließlich Schuppen von dieser Größe und Qualität beschaffen könnt, dann werden meine Hoffnungen voll und ganz erfüllt. Bei solchen Exemplaren kann ich euch zehn Bullen oder sieben Weiber pro Stück geben. Bei Schuppen von schlechterer Qualität zahle ich natürlich entsprechend weniger.«
    Zohar warf in Gedanken versunken eine große Taschenlampe von einer Hand in die andere. »Und dein Aufschlag an die Kunden beträgt…«
    Gimlett grinste geizig. »Das muss dich nicht kümmern, Kush. Ich biete einen fairen Preis.«
    »Was, wenn wir dich übergehen und die Schuppen selbst verkaufen?«
    Gimletts selbstsicheres Grinsen nahm einen aufreizenden Zug an. »Verfügt ihr über die verbotenen Verbindungen zu unserer gefälligen, aber nachtragenden Polizei, wie ich sie über die Jahre hinweg so sorgsam gepflegt habe? Wisst ihr noch, welche Strafe auf das Ernten von Schuppen steht? Fünf bis zehn Jahre. Wenn ich herausfinden würde, dass ihr zwei mich hintergehen wollt… nun, dann wäre es meine oberste Bürgerpflicht, euch beide anzuzeigen.«
    Diego

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