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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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gehen.«
    Zohar wirkte bestürzt angesichts der Tatsache, den alten Patchen wiederzusehen. »Ich habe so ein deutliches Bild von deinem Vater in seiner Blütezeit vor Augen. Sehr kraftvoll und voller Leben. Zwar auch verbittert, aber er war ein solcher Kontrast zu meinem weichlichen, vom Alkohol aufgedunsenen Dad. Ist er wirklich so gebrochen?«
    »Ehrlich gesagt, als ich ihn das letzte Mal sah, da machte er einen etwas besseren Eindruck. Vielleicht befindet sich seine Krankheit ja auf dem Rückzug.«
    Natürlich glaubte Diego nicht daran. Er wusste, dass jeder Hauch von Vitalität in seinem Vater nur eine weitere Ebene auf seinem Abstieg in den Tod darstellte. Doch wenn ein solcher Gedanke Zohar Trost gab, dann war Diego froh, ihm diesen Gedanken so zu verkaufen wie auch all seine anderen Träume.
    Die Tür knarrte, als sie aufging und den Weg in die düstere Wohnung freigab.
    »Wer ist da?«, rief Gaddis Patchen mit fester Stimme. »Wenn Sie das sind, Mrs. Loblolly, ich habe genug Hühnersuppe, um ein Schiff darin fahren zu lassen.«
    »Ich bin’s, Dad. Ich habe einen Freund mitgebracht.«
    Auf seinem gewohnten Platz – dem durchgesessenen, alten Sessel, der zum offenen Fenster ausgerichtet war, das den Tod einladen sollte – machte Gaddis Patchen sich die Mühe, sich ein Stück weit zu erheben und nach hinten zu sehen. »Ist das etwa dein Kumpel Kush, der alte Gauner? Da hol mich doch der Bulle! Wo hast du dich denn rumgetrieben, Zohar? Ich schätze, du hast deine Zeit mit den Damen verbracht, wie?«
    Zohar nahm sich einen Stuhl und stellte ihn so, dass er sich neben Gaddis hinsetzen konnte. »Ach, keiner von uns ist der, der er einmal war, Mr. Patchen. Ich bin heute einer einzigen Frau treu. Sie ist wundervoll, aber sie… na ja, sie macht mir ein wenig Sorgen.«
    »Erzähl mir von ihr, Zohar.«
    Diego wunderte sich – von einer gewissen Verärgerung begleitet – darüber, wie lässig die Unterhaltung zwischen Zohar und Gaddis verlief, und darüber, wie zivilisiert und freundlich sein Vater reden konnte. Doch Diegos Herz war nicht so klein, um ihn zu irgendwelchen Vorwürfen an seinen Vater zu veranlassen, vor allem nicht angesichts dessen, was er in diesem Augenblick vorhatte.
    Gleich neben dem Stapel ungelesener Magazine, die Diego im Lauf der letzten Monate dort aufgetürmt hatte, häufte sich etwas anderes: ein Dutzend Packungen voller gehorteter Spritzen mit Schmerzmitteln. Doktor Teasel war großzügig im Umgang mit dem Medikament – oder aber Gaddis trug dort die Werkzeuge für seinen Selbstmord zusammen.
    Diego nahm zwei Packungen, prüfte, ob sie voll waren, und ließ sie dann in den großzügig geschnittenen Taschen seiner Hose verschwinden.
    Er stellte sich zu Zohar und mischte sich in die Unterhaltung ein, genoss die ungewohnte Fröhlichkeit seines Vaters und registrierte erleichtert, dass auch Zohar für einen Moment von seinen eigenen Sorgen abgelenkt war. Diego schlenderte in die Küche, entdeckte eine Flasche süßlichen Wein, der genießbar war, dann kehrte er mit Gläsern für sie alle zurück.
    Eine halbe Stunde verstrich, bis Diego zu verstehen gab, dass sie sich wieder auf den Weg machen mussten. Zohar kam wieder zu Sinnen, erinnerte sich daran, weshalb sie eigentlich unterwegs waren, und bekräftigte Diegos Äußerung.
    »Mach dich in Zukunft nicht so rar, Kush.«
    »Ganz bestimmt nicht, Sir. Und Sie passen gut auf sich auf.«
    »Keine Angst, Kush. Der Kampf ist noch lange nicht vorüber.«
    Im Hausflur zeigt Diego Kush, was er eingesteckt hatte.
    »O nein, das ist ja ein unbeschreiblicher Schatz, Dee! Das sind ja fast zwei Wochen Rettung für meine Milagra. Der Stoff ist viel reiner als das, was sie sonst bekommt. Ich werde darauf achten, dass sie ihn sich entsprechend einteilt. Du bist ein wahrer Lebensretter, mein Freund!«
    Einem plötzlichen Impuls folgend umarmte er Diego dankbar, dann ließ er kurz von ihm, betrachtete ihn bewundernd aus geringer Entfernung und schlang dann abermals die Arme um ihn.
    In seiner von Gewissensbissen geplagten Verlegenheit konnte Diego nur scherzen: »Es scheint so, als wäre ich nicht nur für Milagra, sondern auch für dich unwiderstehlich.«
    »Das soll sie dir selbst sagen. Komm mit.«
    Die U-Bahn brachte sie fünfzehn Blocks weiter nach Downtown, fast bis an die unsichtbare, dennoch existierende Grenze zwischen Gritsavage und dem Nachbarn Pergola in Downtown. Sie kehrten zurück an die frische Luft auf dem Broadway, gingen an einem

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