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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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warteten ab. Das war für sie keine brauchbare Neuigkeit. Sholl blieb nichts anderes übrig, als in das Schweigen hinein weiterzureden. Er erklärte ihnen, was genau er finden wollte und wo, und damit endlich entlockte er seinen Zuhörern das ein oder andere entgeisterte Stöhnen. Einige protestierten. Er schilderte ihnen, wie er sich ihren Beitrag vorstellte, was sie tun und wohin sie gehen sollten.
    Auch nachdem es ihm gelungen war, ihr Interesse zu wecken, entwickelte sich nicht die Diskussion, mit der Sholl gerechnet hatte. Die Soldaten von Hampstead Heath wollten überredet sein. Sie waren nicht lebensmüde. Sie brauchten mehr als einen Appell an ihre Solidarität.
    Er sprach in eleganten Andeutungen, gab ihnen genug Stoff, um ihre Neugier zu schüren, ohne die Einzelheiten darzulegen. Er hatte Angst, allein weiterzugehen, und mit gedämpfter Stimme erzählte er ihnen Geheimnisse, Dinge, die ihm zu Ohren gekommen waren, Dinge, die nur er tun konnte. Er wartete darauf, dass sie der Faszination erlagen und sich ihm anschlossen.
    Zu seinem Erstaunen und seiner Bestürzung taten sie es nicht.

 

     
    Durch euch haben wir uns gegenseitig Verletzungen zugefügt, und uns selbst. Wir mussten uns blutige Wunden schlagen, weil ihr vor euren Spiegeln eure Zwistigkeiten ausgetragen habt. Ihr habt sie ignoriert und uns, wir jedoch konnten uns nicht widersetzen. Mit der blanken Klinge habt ihr euch massakriert, mit Schusswaffen. Eigenhändig habt ihr euch die Kehle durchgeschnitten und zugeschaut, wie das Blut aus euch herausrinnt, und aus uns. Wir haben uns gegenseitig erdolcht, für eure hohlen Eitelkeiten, und begleiteten euch beim Selbstmord. Und waren eure Leichenhäuser mit glänzenden Fliesen ausgekleidet, habt ihr uns dort festgehalten und wir mussten neben euch verfaulen.
     
    Wir bekämpften euch. Es gab Mittel und Wege.
    Die Spiegel in eurer Welt vermehrten sich wuchernd und fingen uns in immer mehr Gespinsten aus Licht. Wir waren gezwungen, eure Häuser nachzuahmen, eure Kleider. Wo es Haustiere gab, mussten wir auch sie erschaffen, kneteten die Materie unserer Welt in die kauernde Gestalt eurer Hunde und Katzen, belebten sie, baumelten sie wie Marionetten, während eure Lieblinge geistlos schnüffelten und die Spiegel beleckten. Ermüdend und demütigend. Doch um wieviel schlimmer noch, wenn ihr gelaunt wart, euch selbst im Spiegel zu betrachten. Dann waren wir die Marionetten. Euer sapiens befahl uns her, ohne dass ihr es ahntet.
    Die Grenzen und Begrenzungen waren nicht stabil. Am Anfang, als Spiegelungen noch selten vorkamen, war jeder solche Vorfall ein Trauma, und wir wussten nicht, wie dem begegnen. Wo zwei Spiegel waren oder mehr, zogen sie ganze Scharen von uns an und zwangen uns zu synchroner Nachahmung in rekursiven Tunnels wenn nur einer von euch zugegen war. In dem Maße, wie die Haut Verbreitung fand, lernten wir, unseren Raum zu falten, so dass weniger von uns in den Bann gerieten.
    Ging es darum, dass nur kleine Ausschnitte von euch sich flüchtig spiegelten, waren die Partikel von uns, die sich dieser Form bequemen mussten, beinahe separat, fast unabhängig geboren. Nie gab es festgelegte Regeln, starre Linien: Wir lernten Strategien. Einige Dinge jedoch waren unabänderlich. Wo einer von euch sich spiegelte, war immer wenigstens einer von uns an euch geheftet.
    Endlos waren wir triste Kopien. Die Unreinheiten und Flecken, die uns ein wenig Freiheit gelassen hatten, wurden ausgemerzt. Versuchten wir uns hinter einem Makel zu verbergen, waren wir daneben umso entblößter. Auch wenn wir uns reckten, streckten, undulierend dehnten, taten wir es auf Grund einer eurer Launen: von gebogenen Vexierspiegeln zu armseligen Parodien eurer Gestalt verzerrt.
    Doch einige von uns, einige wenige, machten die Feststellung, dass es möglich war, sich loszureißen. Durch einen Umstand, dessen Natur uns bis jetzt verborgen blieb, fanden einige von uns, während wir von euch, unseren ahnungslosen Peinigern betrachtet wurden, die Kraft zu rebellieren.
    Sie waren Sekundensache, unsere Revolten. Ein aufwallendes Gefühl von Befreiung, die plötzliche Gewissheit, dass wir uns bewegen konnten, ein Aufblicken und ein genussvolles Recken und Töten, ein Hindurchdringen. Ihr konntet nicht gegen uns bestehen, kleine Männer und Frauen, die mit großen Augen glotzten, wenn eure eigenen Gesichter sich euch entgegenneigten, eure eigenen Arme aus dem Spiegel nach euch griffen.
    Und nachdem ihr besiegt und tot wart, waren wir

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