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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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und wie er es sagte, vermittelte einen Eindruck von überlegter Gelassenheit, die Ahnung von noch in der Hinterhand gehaltenen Dingen, die zu gegebener Zeit preisgegeben würden. Er sprach nicht von seinen Plänen, doch mit seiner unerklärt gebliebenen Aufforderung – ob ihr euch mir anschließen wollt –, mit seiner arroganten Selbsteinschätzung, hatte er sich als jemand zu erkennen gegeben, von dem noch eine Überraschung zu erwarten war.
    Nach dem Aufwachen trat Sholl auf die taufeuchte Lichtung hinaus und unternahm schlendernd einen Rundgang durch das Lager. Die Männer und Frauen gingen in Gruppen ihren Beschäftigungen nach, arbeiteten oder frönten dem Glücksspiel, doch er spürte, dass sie ihn beobachteten, spürte, dass sie ihn verdächtigten, auch wenn sie nicht hätten sagen können, wessen. Sein Gespräch mit dem Offizier, seine Einladung, sich ihm anzuschließen, hatte die Runde gemacht.
    Hier und da erwiderte er nickend einen Gruß. Aus Töpfen und Waschkesseln stieg Dampf, Kochfeuer qualmten. Sholl blickte den Schwaden nach, um jetzt noch nicht in die forschenden Augen sehen zu müssen. Man erwartete etwas von ihm und wusste, er würde irgendwann damit herausrücken. Er war nicht zu ihnen gekommen wie die anderen verschreckten Zivilisten, nicht wie ein Flüchtling, der Schutz suchte. Er hatte ihnen etwas mitgebracht.
    Die Atmosphäre im Lager war deutlich verändert, war voller Erwartung. Die Soldaten beobachteten Sholl wie einen Jesus, mit nervöser, hoffnungsvoller Neugier und Skepsis und Erregung. Sholls Mund war trocken. Er wusste nicht genau, was er tun sollte. Der Offizier trat auf ihn zu.
    »Mr. Sholl«, sagte er. »Möchten Sie mit uns sprechen? Möchten Sie uns erklären, weshalb Sie hier sind?«
    Sholl hatte angenommen, es würde einige Zeit dauern bis zu diesem Augenblick der Wahrheit. Er hätte gern einen Tag Frist gehabt, um die Stimmung im Lager zu erspüren, bevor er seine Pläne auf den Tisch legte. Er war davon ausgegangen, dass der Befehlshaber ihn befragen würde, allein, oder vielleicht mit ein paar Unteroffizieren. Er hatte sich darauf eingestellt, vor einem solchen reduzierten Publikum Überzeugungsarbeit zu leisten. Ihm war nicht klar gewesen, dass mit dem Zusammenbruch der etablierten Strukturen der Weg frei war für die Entstehung einer primitiven Demokratie.
    Der Kommandant wusste, er war dies nur mit Einverständnis seiner Truppe. Er war nicht dumm, er begriff, dass der Anschein, Informationen zurückzuhalten, eine gefährliche Entfremdung zwischen ihm und der Truppe bewirken konnte. Es gab niemanden, um den Gehorsamsverweigerer vor ein Kriegsgericht zu stellen, und es würde auch nie mehr jemanden geben. Er war darauf angewiesen, dass seine Anordnungen die Zustimmung seiner Leute fanden.
    Er setzte sich zu ihnen, mit dem Rücken an einen Baum gelehnt, und rauchte. Man schaute ihn nicht an. Man blickte auf Sholl.
    Sholl setzte sich hin. Die Stuhlbeine sanken ein Stück in die feuchte Erde ein. Sholl legte den Kopf in die Hände und versuchte, sich zu sammeln. Ans der Konfrontation einen Dialog machen. Er begann damit, Fragen zu stellen.
     
    »Wir versuchen, Funkkontakt zu anderen Einheiten herzustellen. Wir suchen immer noch auf allen Kanälen nach einem Lebenszeichen von der Regierung oder dem Oberkommando oder von Scheißegalwem.« Dem Kommandanten versagte für einen Moment die Stimme. Die Idiotie seiner Aussage lag klar auf der Hand. Jeder wusste, es gab keine Regierung mehr, und niemand hatte das Oberkommando über die versprengten Reste der Streitkräfte. Dennoch nickte Sholl, als handele es sich um eine brauchbare Information; wozu auf dem Offenkundigen herumreiten.
    Seine Fragen wurden beantwortet. Ihn umgab die Aura eines Messias – nicht gewollt, aber nützlich, und die Soldaten berichteten ihm, bedächtig, was er wissen wollte, und warteten ab in der Überzeugung, dass er ihnen nun bald den Grund seines Hierseins enthüllen werde.
    »Ich verstehe, ihr versucht irgendwoher eure Befehle zu bekommen«, sagte Sholl. »Aber was tut ihr inzwischen?«
    Sie patrouillierten an den Grenzen des Parks entlang. Anders als die übergeschnappten Bermondsey-Renegaten (von denen sie wussten und die sie verabscheuten: »Wir sollten verdammt losziehen und uns die Typen zur Brust nehmen, scheiß auf die verdammten Imagos«, brüllte einer), empfingen sie die wenigen Zivilisten, die sich zu ihnen verirrten, mit offenen Armen. Es waren sehr wenige. Und keine Kinder. Seit Wochen

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