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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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in eurer Welt.
     
    Ein Parlament von Spitzeln. Es war ein beunruhigender Sieg. Wir steckten fest im Korsett dieser unzulänglichen Körper.
     
    Die Spiegel zerbrachen bei unserem Schritt hindurch. Wir suchten andere. Schmiegten uns dagegen, spähten in die leeren Räume hinter dem Glas und erfüllten sie mit unseren flüsternden Rufen. Riefen, bis die Unseren uns hörten und Antwort gaben, und auf diese Weise schmiedeten wir gewisperte Pläne. Befehle wurden erteilt und entgegengenommen und hitzig debattiert. Wir waren Partisanen in Feindesland, und die Zurückgebliebenen beschworen und bestürmten uns, verfochten jeweils eigene Strategien.
    Einige von uns legten Hand an sich. Selbsttötung war möglich in den Körpern, die uns umhüllten. Wir konnten sterben. Eine schreckliche Erkenntnis, aber auch eine Verlockung, der Reiz einer neuen Erfahrung, der für manche unwiderstehlich war.
    Wir zogen in den Krieg. Eine fünfte Kolonne.
    Es galt, ein Netzwerk zu errichten. Unsere vornehmste Aufgabe musste darin bestehen, die Methode der Belegung geheim zu halten, den Siegeszug verspiegelten Glases zu behindern. Diese Notwendigkeit führte zu seltsamen Bündnissen.
    Wir stellten uns auf die Seite Venedigs. Getarnt infiltrierten wir das Lager unserer ahnungslosen Folterknechte, beherrschten unsere Rachegelüste. Dies war nicht die Zeit für Hass, sondern für Diplomatie und Raffinesse.
    Venedig, unter dessen Auge das Instrument unseres Leidens entstanden war, wollte es für sich allein behalten und erklärte das Rezept der Herstellung zum Staatsgeheimnis. Man überschüttete die Glasmacher von Murano mit Privilegien, verbarrikadierte sie hinter Versprechungen und Drohungen, nahm ihre Familie als Geisel und verbot ihnen bei Todesstrafe, in andere Städte auszuwandern. Obwohl sie also fortfuhren, ihre Kristallspiegel herzustellen, ballten wir stumm die Faust in der Tasche und waren der Serenissima behilflich, sie zu halten. Das Monopol garantierte die Begrenztheit des Angebots, und wenn es nicht möglich war, Spiegel gänzlich auszutilgen, wollten wir alles dafür tun, dass sie eine seltene Luxusware blieben.
    So erklärt sich, dass, als es durch Hinterlist dem ein oder anderen Glaskünstler zu entkommen gelang, wir bei der Hand waren, um Venedig zu helfen. Wir wiesen dem Meuchelmörder den Weg zu seinem Opfer oder waren selbst die Meuchelmörder. Als die Franzosen nicht imstande waren, die Technik zu meistern und stattdessen die Techniker abwarben und ihre eigenen Manufakturen aufbauten, waren wir es, die den Glasbläser vergifteten, die dafür sorgten, dass der Polierer an einem Fieber dahinsiechte. Wir töteten die Abtrünnigen, aus Verzweiflung, kämpften für die venezianischen Händler, gegen die Handelsnation Frankreich, jeder kleine Sieg dem ehernen Gang der Geschichte abgerungen.
    Die Ausbreitung der Spiegel ließ sich nicht eindämmen. So sehr wir kämpften und uns mühten, wir verloren bei jedem Schritt.
    Wir lebten mitten unter euch. Wir lernten Tricks.
    Vom Anfang unserer Gefangenschaft an gab es Flüchtlinge, Infiltratoren auf eurer Seite des Zauns. Einige von uns entkamen dem Wasser, dem polierten Obsidian, der Bronze, dem Glas und gingen unerkannt an eurer Seite. Doch in all der Zeit nicht so viele, wie sich aus eurem verspiegelten Kristall lösten.
    Wir trugen eure Gesichter seitenverkehrt. Zumeist taten selbst eure Nächsten und Vertrautesten nichts anderes, als uns mit einem flüchtigen Befremden zu mustern, angerührt von einer Konsternation, die sie sich nicht erklären konnten. Erforschten mit Blicken euer Fleisch gewordenes Spiegelbild, spürten, etwas war verändert, aber was? Was genau war es, dass sie so falsch anmutete? Darauf fanden sie keine Antwort.
    Male oder Narben oder Tätowierungen hätten unsere gespiegelte Natur unweigerlich verraten; in solchen Fällen tauchten wir unter und legten uns eine neue Identität zu.
    Spiegel verraten uns. Bei unserem Übergang in diese Welt töteten wir jene, die uns zu unserem Sklavendienst herbeigezerrt hatten, und an unserer Statt war niemand da, keiner unserer gequälten Gefährten, um uns auf der anderen Seite zu willfahren, wie wir euch hatten willfahren müssen.
    Der leere Spiegel, der kein Abbild von uns zeigte, war für euch Anlass, ein Geschrei zu erheben und uns zu verfluchen. Wir sind die Asymmeten, so heißen wir. Ihr aber nanntet uns Vampire.
     
    Gongsun besiegte uns. Euer Held. Gongsun, Gongsun Xuanyuan, Ji Xuanyuan, Huangdi. Das ist die Liste

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