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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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seiner Namen. Der Mann, der mit der Hilfe seines Südsuchers Chiyou besiegte, der ein Buch über die Kunst des Schlafzimmers verfasste, der die Schrift erfand, dreifüßige Kessel schuf, welche die Unendlichkeit symbolisierten. Er, der zwölf große Spiegel machte, um dem Mond nachzufolgen und die Erde einzufangen. Uns einzufangen. Der Gelbe Kaiser.
    Es war unsere eigene Schuld. Ein schmerzliches Eingeständnis. Wir dachten, wir könnten siegen. Wir führten den ersten Schlag.
    Und als alles vorüber war und euer Held, euer Gelber Kaiser, euch zum Sieg geführt hatte – unter großen Verlusten, wenigstens das –, richtete er seine Spiegel gegen uns. Fing uns ein. Bis dahin war die Grenze zwischen unseren Reichen fließend gewesen. Wir wechselten ohne Schwierigkeit von hüben nach drüben, durch Türen aus Licht, durch das Glitzern von Wasser und die flachen Tore aus Stein und blankem Metall. Bis euer Held unter Zuhilfenahme arkaner Wissenschaften, die ich nicht einmal annähernd zu begreifen imstande bin, bis er euch und uns voneinander schied und uns in den Spiegeln einkerkerte.
    Eine Welt als unser Tummelplatz, doch unter das Joch eurer Eitelkeit gezwungen.
    Er veränderte die Geschichte. Auf eine Weise, dass es immer so gewesen war. Und ihr habt uns vergessen und Bilder von uns gemacht und uns ignoriert und nur euch gesehen.
     
    Ich war Zeuge der Demütigung meines Volkes. Wesenheiten, mächtiger als euer Mond, von einem Bann gezwungen, rotes Wachs und Fett auf spröde Lippen zu schmieren, von klobigen Zähnen zu lecken, eurer Gefallsucht zu entsprechen. Eingesperrt in pumpende Muskeln, stumm Eisenstangen hebend und senkend, klaglos, unfähig zu klagen, während ihr euch begafft; verurteilt, eure schweißnasse Bekleidung zu tragen und dumpf von Gerät zu Gerät zu wandern, uns mit euch zu schinden, um euren Leib zu formen. Ihr habt Spiegel neben euer Bett gestellt oder darüber angebracht, und Meinesgleichen in eurem klebrigen Fortpflanzungsakt gefangen. Eurem Tun folgend, waren wir verdammt, einander beizuliegen, uns anzusehen, Hass und die Bitte um Vergebung im Blick, während die uns aufgezwungenen Körper eurer Fleischeslust frönten.
    Sechstausend Jahre lang und in Ewigkeit habt ihr uns unterdrückt. Wir derweil beobachtend und wartend, wartend, ohne sterben zu können, in all der Zeit. Ihr habt es nicht gewusst, doch Unwissenheit ist keine Entschuldigung. Unsere Freiheit habt ihr weggenommen, Stück für Stück, bis in einem Taumel von bloßen drei Jahrhunderten das Unheil sich beschleunigte und wir durch euren jäh beflügelten Erfindungsgeist unserer letzten Auswege und Schlupflöcher verlustig gingen und unsere Welt von euch usurpiert wurde.
    Eines Tages, flüsterten wir, wie schon seit undenklichen Zeiten.
    Als die Erlösung kam, war es nicht ein Tag, sondern es waren viele, zog sie sich über Monate hin, eine allmähliche Befreiung, in kleinen Schritten, zermürbend, doch endlich umso herrlicher, ekstatischer.

 

     
    Die Straßen waren wieder regennass. Wie eine Warnung. London wirkte nie so fremd wie nach einem Regen, der Asphalt und Schiefer mit Spiegelglanz überzog.
    Sholl wanderte durch die Ruinen von Hampstead, vorbei an den leeren Fensterhöhlen der Ladenfronten mit einer Auslage von Scherben und den verschmähten Resten des Warensortiments. Vor einer Buchhandlung stapfte er durch einen Morast aus fauligem Papierbrei.
    Die Luft war mit Feuchtigkeit geschwängert, ein Dunst, der kondensierte und Sholl in Tropfen über das Gesicht lief. Alle Straßen, die vom Park wegführten, hatten ein leichtes Gefälle. Er spürte bei jedem Schritt, dass es bergab ging.
    Er musste dauernd schlucken, und ständig fasste er das Gewehr anders. Angst. Er hatte nicht gedacht, dass er allein sein würde auf dem Weg in die Höhle des Löwen. Trotzdem fühlte er sich nicht versucht, seinen Plan zu ändern. Sein Entschluss stand fest.
    Beim Gehen horchte Sholl angestrengt auf die Geräusche seiner Umgebung, hörte aber nichts als das weiche Atmen der Luft. Er fühlte sich klaustrophobisch, die eigenen Bewegungen klangen ihm ganz nah, als würden sie von Wänden zurückgeworfen, als ginge er durch einen Korridor, einen Tunnel ohne Wiederkehr. Er horchte auf seine Schritte, das Heben und Aufsetzen der Füße. Ein gedämpftes Tapp vor ihm, und hinter ihm ein schwaches, saugendes Wispern. Er holte tief Atem und hielt ihn lange an, etliche Meter Ziegelmauer und eingeschlagene Scheiben weit, stieß ihn dann aus, mit

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