Momo
natürlich sterblich geworden.
Du wirst gleich hören, wie es ihr weitererging, jetzt muß ich dir aber zuerst von dem Prinzen erzählen.
Dieser Prinz hieß Girolamo und herrschte über ein großes Reich, das er sich selbst erschaffen hatte. Und wo war dieses Reich? Es war nicht im Gestern und es war nicht im Heute, sondern es lag immer einen Tag in der Zukunft. Und darum hieß es das Morgen-Land. Und alle Leute, die dort wohnten, liebten und bewunderten den Prinzen. Eines Tages nun sagten die Minister zu dem Prinzen des Morgen-Landes: Majestät, Ihr müßt heiraten, denn das gehört sich so. Prinz Girolamo hatte nichts dagegen einzuwenden, und so wurden die schönsten jungen Damen des Morgen-Landes in den Palast gebracht, damit er sich eine aussuchen konnte. Sie alle hatten sich so schön gemacht, wie sie nur konnten, denn jede wollte ihn natürlich haben.
Unter den Mädchen hatte sich aber auch eine böse Fee in den Palast geschlichen, die hatte kein rotes, warmes Blut in den Adern, sondern grünes und kaltes. Das sah man ihr freilich nicht an, denn sie hatte sich außerordentlich kunstvoll geschminkt.
Als nun der Prinz des Morgen-Landes in den großen goldenen Thronsaal trat, um seine Wahl zu treffen, da flüsterte sie rasch einen Zauberspruch, und nun sah der arme Girolamo nur noch sie und sonst keine. Und sie kam ihm so wunderschön vor, daß er sie auf der Stelle fragte, ob sie seine Frau werden wolle.
Gern , zischelte die böse Fee, aber ich habe eine Bedingung. - Ich werde sie erfüllen , versetzte Prinz Girolamo unbedacht. Gut , antwortete die böse Fee und lächelte so süß, daß dem unglückseligen Prinzen ganz schwindelig wurde, du darfst ein Jahr lang nicht zu dem schwebenden Silberspiegel hinaufschauen. Tust du es aber doch, so mußt du auf der Stelle alles vergessen, was dein ist. Du mußt vergessen, wer du in Wirklichkeit bist, und du mußt ins Heute-Land, wo niemand dich kennt, und dort mußt du als ein armer unbekannter Schlucker leben. Bist du damit einverstanden? - Wenn es nur das ist! rief Prinz Girolamo, die Bedingung ist leicht! Was war nun inzwischen mit Prinzessin Momo geschehen? Sie hatte gewartet und gewartet, aber der Prinz war nicht gekommen. Da beschloß sie, selbst in die Welt hinauszugehen und ihn zu suchen. Sie gab allen Spiegelbildern, die um sie waren, ihre Freiheit wieder. Dann ging sie ganz allein auf ihren zarten Pantöffelchen aus ihrem Schloß aus buntem Glas durch die schneebedeckten Berge in die Welt hinunter. Sie lief durch aller Herren Länder, bis sie in das Heute-Land kam. Da waren ihre Pantöffelchen durchgelaufen, und sie mußte barfuß gehen. Aber der Zauberspiegel mit ihrem Bild darin schwebte weiter hoch über der Welt dahin.
Eines Nachts saß Prinz Girolamo auf dem Dach seines goldenen Palastes und spielte Dame mit der Fee, die grünes, kaltes Blut hatte. Da fiel plötzlich ein winziges Tröpfchen auf des Prinzen Hand. Es beginnt zu regnen , sagte die Fee mit dem grünen Blut. Nein , antwortete der Prinz, das kann nicht sein, denn es ist keine Wolke am Himmel. Und er blickte hinauf und schaute mitten in den großen, silbernen Zauberspiegel, der dort oben schwebte. Da sah er das Bild der Prinzessin Momo und bemerkte, daß sie weinte und daß eine ihrer Tränen auf seine Hand gefallen war. Und im gleichen Augenblick erkannte er, daß die Fee ihn getäuscht hatte, daß sie nicht wirklich schön war und nur grünes, kaltes Blut in ihren Adern hatte. Prinzessin Momo war es, die er in Wirklichkeit liebte.
Nun hast du dein Versprechen gebrochen , sagte die grüne Fee, und ihr Gesicht verzerrte sich, daß es dem einer Schlange glich, und nun mußt du mir bezahlen! Mit ihren grünen langen Fingern griff sie Prinz Girolamo, der wie erstarrt sitzen bleiben mußte, in die Brust und machte einen Knoten in sein Herz. Und im gleichen Augenblick vergaß er, daß er der Prinz des Morgen-Landes war. Er ging aus seinem Schloß und seinem Reich wie ein Dieb in der Nacht. Und er wanderte weit über die Welt, bis er ins Heute-Land kam, dort lebte er fortan als ein armer, unbekannter Taugenichts und nannte sich nur noch Gigi. Das einzige, was er mitgenommen hatte, war das Bild aus dem Zauberspiegel. Der war von da an leer.
Inzwischen waren auch Prinzessin Momos Kleider aus Samt und Seide ganz zerrissen. Sie trug jetzt eine alte, viel zu große Männerjacke und einen Rock aus bunten Flicken. Und sie wohnte in einer alten Ruine. Hier begegneten sich die beiden eines schönen Tages. Aber
Weitere Kostenlose Bücher