Momo
an.
Das wäre also dreihundertfünfzehnmillionendreihundertsechzigtausend mal sieben. Das ergibt zweimilliardenzweihundertsiebenmillionenfünfhundertzwanzigtausend Sekunden.“ Und er schrieb diese Zahl groß an den Spiegel: 2.207.520.000 Sekunden Dann unterstrich er sie mehrmals und erklärte: „Dies also, Herr Fusi, ist das Vermögen, welches Ihnen zur Verfügung steht.“ Herr Fusi schluckte und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Die Summe machte ihn schwindelig. Er hätte nie gedacht, daß er so reich sei.
„Ja“, sagte der Agent nickend und zog wieder an seiner kleinen grauen Zigarre, „es ist eine eindrucksvolle Zahl, nicht wahr? Aber nun wollen wir weitergehen. Wie alt sind Sie, Herr Fusi?“
„Zweiundvierzig“, stammelte der und fühlte sich plötzlich schuldbewußt, als habe er eine Unterschlagung begangen. „Wie lange schlafen Sie durchschnittlich pro Nacht?“ forschte der graue Herr weiter.
„Acht Stunden etwa“, gestand Herr Fusi.
Der Agent rechnete blitzgeschwind. Der Stift kreischte über das Spiegelglas, daß sich Herrn Fusi die Haut kräuselte. „Zweiundvierzig Jahre – täglich acht Stunden – das macht also bereits vierhunderteinundvierzigmillionenfünfhundertundviertausend. Diese Summe dürfen wir wohl mit gutem Recht als verloren betrachten. Wieviel Zeit müssen Sie täglich der Arbeit opfern, Herr Fusi?“
„Auch acht Stunden, so ungefähr“, gab Herr Fusi kleinlaut zu. „Dann müssen wir also noch einmal die gleiche Summe auf das Minuskonto verbuchen“, fuhr der Agent unerbittlich fort. „Nun kommt Ihnen aber auch noch eine gewisse Zeit abhanden durch die Notwendigkeit, sich zu ernähren. Wieviel Zeit benötigen Sie insgesamt für alle Mahlzeiten des Tages?“
„Ich weiß nicht genau“, meinte Herr Fusi ängstlich, „vielleicht zwei Stunden?“
„Das scheint mir zu wenig“, sagte der Agent, „aber nehmen wir es einmal an, dann ergibt es in zweiundvierzig Jahren den Betrag von hundertzehnmillionendreihundertsechsundsiebzigtausend. Fahren wir fort! Sie leben allein mit Ihrer alten Mutter, wie wir wissen. Täglich widmen Sie der alten Frau eine volle Stunde, das heißt, Sie sitzen bei ihr und sprechen mit ihr, obgleich sie taub ist und sie kaum noch hört.
Es ist also hinausgeworfene Zeit: macht fünfundfünfzigmillioneneinhundertachtundachtzigtausend. Ferner haben Sie überflüssigerweise einen Wellensittich, dessen Pflege Sie täglich eine Viertelstunde kostet, das bedeutet umgerechnet dreizehnmillionensiebenhundertsiebenundneunzigtausend.“
„Aber…“, warf Herr Fusi flehend ein.
„Unterbrechen Sie mich nicht!“ herrschte ihn der Agent an, der immer schneller und schneller rechnete. „Da Ihre Mutter ja behindert ist, müssen Sie, Herr Fusi, einen Teil der Hausarbeit selbst machen. Sie müssen einkaufen gehen, Schuhe putzen und dergleichen lästige Dinge mehr. Wieviel Zeit kostet Sie das täglich?“
„Vielleicht eine Stunde, aber…“
„Macht weitere fünfundfünfzigmillioneneinhundertachtundachtzigtausend, die Sie verlieren, Herr Fusi. Wir wissen ferner, daß Sie einmal wöchentlich ins Kino gehen, einmal wöchentlich in einem Gesangverein mitwirken, einen Stammtisch haben, den Sie zweimal in der Woche besuchen, und sich an den übrigen Tagen abends mit Freunden treffen oder manchmal sogar ein Buch lesen. Kurz, Sie schlagen Ihre Zeit mit nutzlosen Dingen tot, und zwar etwa drei Stunden täglich, das macht einhundertfünfundsechzigmillionenfünfhundertvierundsechzigtausend. – Ist Ihnen nicht gut, Herr Fusi?“
„Nein“, antwortete Herr Fusi, „entschuldigen Sie bitte…“
„Wir sind gleich zu Ende“, sagte der graue Herr. „Aber wir müssen noch auf ein besonderes Kapitel Ihres Lebens zu sprechen kommen. Sie haben da nämlich dieses kleine Geheimnis, Sie wissen schon.“ Herr Fusi begann mit den Zähnen zu klappern, so kalt war ihm geworden.
„Das wissen Sie auch?“ murmelte er kraftlos. „Ich dachte, außer mir und Fräulein Daria…“
„In unserer modernen Welt“, unterbrach ihn der Agent Nr. XYQ/384/b, „haben Geheimnisse nichts mehr verloren. Betrachten Sie die Dinge einmal sachlich und realistisch, Herr Fusi.
Beantworten Sie mir eine Frage: Wollen Sie Fräulein Daria heiraten?“
„Nein“, sagte Herr Fusi, „das geht doch nicht…“
„Ganz recht“, fuhr der graue Herr fort, „denn Fräulein Daria wird ihr Leben lang an den Rollstuhl gefesselt bleiben, weil ihre Beine verkrüppelt sind. Trotzdem besuchen Sie sie täglich eine
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