Momo
zu spielen, aber sie konnten sich nicht recht einig werden, und das Spiel kam nicht in Fluß. Nach kurzer Zeit saßen alle wieder auf den steinernen Stufen und warteten. Und dann kam Momo.
Hoch rauschte die Bugwelle auf. Das Forschungsschiff „Argo“ schwankte leise in der Dünung auf und nieder, während es in ruhiger Fahrt mit voller Kraft voraus in das südliche Korallenmeer vordrang. Seit Menschengedenken hatte kein Schiff es mehr gewagt, diese gefährlichen Gewässer zu befahren, denn es wimmelte hier von Untiefen, von Korallenriffen und von unbekannten Seeungeheuern. Und vor allem gab es hier den sogenannten „Ewigen Taifun“, einen Wirbelsturm, der niemals zur Ruhe kam. Immerwährend wanderte er auf diesem Meer umher und suchte nach Beute wie ein lebendiges, ja sogar listiges Wesen. Sein Weg war unberechenbar. Und alles, was dieser Orkan einmal in seinen riesenhaften Klauen hatte, das ließ er nicht eher wieder los, als bis er es in streichholzdünne Splitter zertrümmert hatte. Freilich, das Forschungsschiff „Argo“ war in besonderer Weise für eine Begegnung mit diesem „Wandernden Wirbelsturm“ ausgerüstet. Es bestand ganz und gar aus blauem Alamont-Stahl, der biegsam und unzerbrechlich war wie eine Degenklinge. Und es war durch ein besonderes Herstellungsverfahren aus einem einzigen Stück gegossen, ohne Naht- und Schweißstelle.
Dennoch hätte wohl schwerlich ein anderer Kapitän und eine andere Mannschaft den Mut gehabt, sich diesen unerhörten Gefahren auszusetzen. Kapitän Gordon jedoch hatte ihn. Stolz blickte er von der Kommandobrücke auf seine Matrosen und Matrosinnen hinunter, die alle erprobte Fachleute auf ihren jeweiligen Spezialgebieten waren. Neben dem Kapitän stand sein Erster Steuermann, Don Melú, ein Seebär von altem Schrot und Korn, der schon hundertsiebenundzwanzig Orkane überstanden hatte.
Weiter hinten auf dem Sonnendeck sah man Professor Eisenstein, den wissenschaftlichen Leiter der Expedition, mit seinen Assistentinnen Maurin und Sara, die ihm beide mit ihrem enormen Gedächtnis ganze Bibliotheken ersetzten. Alle drei standen über ihre Präzisionsinstrumente gebeugt und beratschlagten leise miteinander in ihrer komplizierten Wissenschaftlersprache.
Ein wenig abseits von ihnen saß die schöne Eingeborene Momosan mit untergeschlagenen Beinen. Ab und zu befragte der Forscher sie wegen besonderer Einzelheiten dieses Meeres, und sie antwortete ihm in ihrem wohlklingenden Hula-Dialekt, den nur der Professor verstand. Ziel der Expedition war es, die Ursache für den „Wandernden Taifun“ zu finden und, wenn möglich, zu beseitigen, damit dieses Meer auch für andere Schiffe wieder befahrbar werden würde. Aber noch war alles ruhig, und von dem Sturm war nichts zu spüren. Plötzlich riß ein Schrei des Mannes im Ausguck den Kapitän aus seinen Gedanken.
„Käptn!“ rief er durch die hohle Hand herunter, „entweder bin ich verrückt, oder ich sehe tatsächlich eine gläserne Insel da vorn!“ Der Kapitän und Don Melú blickten sofort durch ihre Fernrohre. Auch Professor Eisenstein und seine Assistentinnen kamen interessiert herbei. Nur die schöne Eingeborene blieb gelassen sitzen. Die rätselhaften Sitten ihres Volkes verboten es ihr, Neugier zu zeigen. Die gläserne Insel war bald erreicht. Der Professor stieg über die Strickleiter an der Außenwand des Schiffes hinunter und betrat den durchsichtigen Boden.
Dieser war außerordentlich glitschig und Professor Eisenstein hatte alle Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Die ganze Insel war kreisrund und hatte schätzungsweise zwanzig Meter Durchmesser. Nach der Mitte zu stieg sie an wie ein Kuppeldach. Als der Professor die höchste Stelle erreicht hatte, konnte er deutlich einen pulsierenden Lichtschein tief im Innern dieser Insel wahrnehmen.
Er teilte seine Beobachtung den anderen mit, die gespannt wartend an der Reling standen.
„Demnach“, meinte die Assistentin Maurin, „muß es sich wohl um ein Oggelmumpf bistrozinalis handeln.“
„Möglich“, erwiderte die Assistentin Sara, „aber es kann auch ebensogut eine Schluckula tapetozifera sein.“
Professor Eisenstein richtete sich auf, rückte seine Brille zurecht und rief hinauf: „Nach meiner Ansicht haben wir es hier mit einer Abart des gewöhnlichen Strumpfus quietschinensus zu tun. Aber das können wir erst entscheiden, wenn wir die Sache von unten erforscht haben.“ Daraufhin sprangen drei Matrosinnen, die außerdem weltberühmte Sporttaucherinnen waren
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