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Momo

Momo

Titel: Momo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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bewegen, wenn ich sie mit der Stunden-Blume berühre?“ wisperte Momo.
„DU WIRST ES TUN“, stand auf dem Panzer.
Wenn Kassiopeia es vorauswußte, dann mußte es wohl auch so sein. Momo setzte die Schildkröte vorsichtig auf den Boden. Dann steckte sie die Stundenblume, die inzwischen schon ziemlich welk war und nicht mehr sehr viele Blütenblätter hatte, unter ihre Jacke.
Ungesehen von den sechs grauen Herren gelang es ihr, unter den langen Konferenztisch zu kriechen. Dort lief sie auf allen vieren weiter, bis sie das andere Ende des langen Tisches erreichte. Nun saß sie zwischen den Füßen der Zeit-Diebe. Das Herz klopfte ihr zum Zerspringen. Leise, leise zog sie die Stunden-Blume hervor, nahm sie zwischen die Zähne und krabbelte zwischen den Stühlen hindurch, ohne daß einer der grauen Herren es bemerkte.
Sie erreichte die offenstehende Tür, berührte sie mit der Blüte und schob gleichzeitig mit der Hand. Die Tür drehte sich geräuschlos in ihren Angeln, drehte sich wirklich, und fiel donnernd ins Schloß. Der Hall löste ein vielfaches Echo im Saal und in den tausend unterirdischen Gängen aus.
Momo sprang auf. Die grauen Herren, die nicht im entferntesten damit gerechnet hatten, daß außer ihnen noch irgendein anderes Wesen vom völligen Stillstand ausgenommen sein könnte, saßen vor Schreck erstarrt auf ihren Stühlen und stierten das Mädchen an. Ohne sich zu besinnen, rannte Momo an ihnen vorbei auf den Ausgang des Saales zu. Und nun rafften sich auch die grauen Herren auf und jagten hinter ihr drein.
„Das ist doch dieses schreckliche kleine Mädchen!“ hörte sie einen rufen. „Das ist Momo!“
„Das gibt es nicht!“ schrie ein anderer. „Wieso kann sie sich bewegen?“
„Sie hat eine Stunden-Blume!“ brüllte ein dritter. „Und damit“, fragte der vierte, „konnte sie die Tür bewegen?“ Der fünfte schlug sich wild vor den Kopf: „Dann hätten wir das ja auch gekonnt! Wir haben doch genügend davon!“
„Gehabt, gehabt!“ kreischte der sechste, „aber jetzt ist die Tür zu! Es gibt nur noch eine Rettung: Wir müssen die Stunden-Blume des Mädchens kriegen, sonst ist alles aus!“
Inzwischen war Momo schon irgendwo in den Gängen verschwunden, die sich immer wieder verzweigten. Aber hier wußten die grauen Herren natürlich besser Bescheid. Momo jagte kreuz und quer, manchmal lief sie einem Verfolger fast in die Arme, aber immer wieder gelang es ihr zu entwischen.
Und auch Kassiopeia beteiligte sich auf ihre Art an diesem Kampf. Sie konnte zwar nur langsam krabbeln, aber da sie ja immer im voraus wußte, wo die Verfolger laufen würden, erreichte sie die Stelle rechtzeitig und legte sich so in den Weg, daß die Grauen über sie stolperten und sich auf dem Boden überkugelten. Die Nachkommenden fielen über die Liegenden, und so rettete die Schildkröte mehrmals das Mädchen vor dem fast schon sicheren Gefaßtwerden. Natürlich flog sie dabei selbst oft, von einem Fußtritt getroffen, gegen die Wand. Aber das hielt sie nicht ab, weiterhin das zu tun, wovon sie eben vorherwußte, daß sie es tun würde.
Bei dieser Verfolgung verloren einige der grauen Herren – besinnungslos vor Gier nach der Stunden-Blume - ihre Zigarren und lösten sich, einer nach dem andern, in Nichts auf.
Schließlich waren nur noch zwei von ihnen übrig.
Momo war in den großen Saal mit dem langen Tisch zurückgeflohen. Die beiden Zeit-Diebe verfolgten sie rund um den Tisch, konnten sie aber nicht einholen. Dann teilten sie sich und liefen in entgegengesetzten Richtungen.
Und nun gab es für Momo kein Entrinnen mehr. Sie stand in eine Ecke des Saales gepreßt und blickte den beiden Verfolgern angsterfüllt entgegen. Die Blume hielt sie an sich gedrückt. Nur noch drei schimmernde Blütenblätter hingen daran.
Der erste Verfolger wollte eben die Hand nach der Blume ausstrecken, als der zweite ihn zurückriß. „Nein“, schrie er, „mir gehört die Blume! Mir!“ Die beiden fingen an sich gegenseitig zurückzureißen. Dabei schlug der erste dem zweiten die Zigarre aus dem Mund, und der drehte sich mit einem geisterhaften Wehlaut um sich selbst, wurde durchsichtig und verschwand. Und nun kam der letzte der grauen Herren auf Momo zu. In seinem Mundwinkel qualmte noch ein winziger Stummel. „Her mit der Blume!“ keuchte er, dabei fiel ihm der winzige Stummel aus dem Mund und rollte fort. Der Graue warf sich auf den Boden und grapschte mit ausgestrecktem Arm danach, konnte ihn aber nicht mehr erreichen. Er

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