Mond der verlorenen Seelen
spinnenartigen Fingern quetschte. Aidans Augen quollen hervor, und seine Zunge schwoll an. Seine Hände krallten sich um den Rand des Waschbeckens, und er stemmte sich mit aller Kraft dagegen. Die Knie begannen zu zittern und drohten, nachzugeben. Kurz bevor dies geschah, ließ der Quälgeist plötzlich von ihm ab. Aidans Finger umfingen noch immer den Rand, während die Benommenheit nur langsam aus seinem Kopf wich.
„Das war ein kleiner Vorgeschmack von dem, was ich mit ungehorsamen Gefolgsleuten mache. Wie du siehst, befolgen die Dämonen meine Befehle. Es hat keinen Zweck, sich mir zu widersetzen. Begreif das endlich. Meine Macht reicht bis in eure Welt, unterschätze nie meine dämonische Kraft. Ich werde dich im Auge behalten. Und wenn der Tag gekommen ist, wirst du mir bedingungslos folgen.“
Aidan spürte, wie der Geist des Vampirs sich zurückzog und verschwand. Es blieb ein taubes Gefühl und tiefe Hoffnungslosigkeit. Revenant hatte ihm gezeigt, wie sehr er ihn kontrollierte. Zu seinem Entsetzen bemerkte er, wie seine Fingernägel in den letzten Minuten gewachsen waren. Ein Blick in den Spiegel zeigte seine Zähne, die weit über die Unterlippe hinausragten, ausgelöst durch den Zorn, der in ihm schwelte. Bei jeder Erregung zeigte sich seine dämonische Seite. Er schlug die Hände vors Gesicht. Nie mehr würde alles so sein, wie es war. Würden sich auch seine Gefühle für Amber verändern? Wie lange mochte ihre Liebe halten, wenn er immer mehr seines neuen Ichs preisgab?
Wieder sah er die Bilder der Toten vor sich, die am Steinkreis gelegen hatte, und die Zweifel stiegen erneut auf. Schließlich war er neulich über die Frau, die die Hexen als Opfer erkoren hatten, hergefallen. Weshalb konnte er sich diesmal nicht erinnern? War er so sehr dem Blutrausch erlegen gewesen, dass es sein Bewusstsein vernebelte?
Wie würde Amber auf die Tatsache reagieren, dass er einen Menschen grausam zugerichtet und getötet hatte? Eines Tages käme die Wahrheit ans Licht, das war gewiss, und davor fürchtete er sich. Es blieb ihm irgendwann kein anderer Ausweg, als sie zu verlassen. Was würde aus Amber werden? Der Gedanke daran, sie schutzlos zurückzulassen, stürzte ihn in den nächsten Zwiespalt.
„Hey, Aidan, was machst du da? Komm endlich wieder ins Bett“, murmelte Amber schlaftrunken aus dem Schlafzimmer.
Wie sehr sehnte er sich nach ihr und ihrer Wärme. Wenn er sie verließe, wäre es, als würde man ihm das Herz aus dem Leib reißen. Bedrückt ging er zu ihr und blieb vor ihrem Bett stehen.
„Wo bleibst du denn?“ Ungeduld schwang in Ambers Stimme mit.
„Ich bin hier.“
Er strich mit der Hand über ihre Wange und zauberte damit ein Lächeln auf ihre Lippen, das sich wie ein scharfes Messer in sein Herz schnitt. Jede Minute des Beisammenseins wollte er auskosten.
„Weißt du, was mich vor allem daran stört, dass du ein Vampir bist?“
Ihm wurde heiß. „Was?“
„Dass du ganz plötzlich so einfach auftauchen und verschwinden kannst und ich deine Schritte nicht hören kann. So was möchte ich auch können. Kannst du dich nicht gleich in meine Arme translozieren?“
Er lachte erleichtert auf und schmiegte sich an sie, um ihren Herzschlag zu hören. Sie umfasste seinen Arm und legte ihren Kopf an seine Schulter.
„Aidan, du darfst mich nie verlassen. Versprichst du mir das?“
Hatte sie seine Gedanken gefühlt? Um sie zu beruhigen, versprach er ihr, zu bleiben, während ein dumpfer Druck auf ihm lastete.
„Ich liebe dich so sehr“, flüsterte sie, bevor sie einschlief.
„Ich liebe dich mehr als mein Leben“, sagte er zu seiner schlafenden Geliebten.
-12-
„ W o willst du hin?“ Mom lief Amber durch den Flur nach, noch immer das Geschirrtuch vom Abwasch in ihren Händen haltend. „Etwa wieder zu Hermit?“
Sie missbilligte Ambers häufige Besuche bei dem Eremiten, weil er sie angeblich durcheinanderbrachte. Dabei waren es Ambers außergewöhnliche Fähigkeiten, die sie schon immer geängstigt hatten. Nur gab sie nicht zu, sich vor dem Übernatürlichen zu fürchten.
Amber blieb stehen und drehte sich zu ihr um. „Nein, ich fahre nach Edinburgh, ein paar Besorgungen machen und mich nach einem Job erkundigen. Und ich werde Beth besuchen.“
Moms Miene verdüsterte sich. „Ich verstehe dich nicht, Amber. Du hättest schon längst den Job in Meadows Schreibwarenladen haben können.“
„Ich will diesen Job nicht. Der wird schlecht bezahlt. Und wie du weißt, brauchen wir jeden
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