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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
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einen Vampir zu verwandeln, jedoch gleich wieder verworfen. Erstens wusste er nicht, ob es ihm möglich wäre, weil eine Verwandlung zum Vampir auch einem gewissen Entwicklungsprozess unterlag, und seiner noch nicht vollständig abgeschlossen war. Täglich entdeckte er wieder etwas Neues an sich. Außerdem wollte er Amber nicht in diesen Zwiespalt stürzen, hin- und hergerissen zu sein zwischen zwei Welten. Schlimmer konnte die Hölle nicht sein. Nein, das wollte er ihr nicht antun, sich Revenant zu unterwerfen. Er hatte ihrer Mutter und sich fest versprochen, sie zu beschützen. Und das galt auch für ihn selbst. Ja, er war ihre schlimmste Bedrohung, und er würde sich dafür hassen, wenn er sein Versprechen brach.
    In den vergangenen Nächten hatte er Revenants Stimme gehört, der seine Krieger rief. Ruhelos war er durch die Dunkelheit gestreift, um diese Stimme aus seinem Kopf zu vertreiben und danach immer zu Amber zurückgekehrt. Doch die Macht des Lords über ihn wuchs, so sehr er sich auch dagegen wehrte. Er war ein Geschöpf der Schattenwelt, und es wäre nur eine Frage der Zeit, wann er seinem Gebieter folgen würde. In Kürze fand das Beltanefest statt. Wenn sich die Pforten zur Anderswelt öffneten, würde ihn der Ruf ereilen, viel gewaltiger als jetzt. Aidan fühlte sich ohnmächtig wie nie zuvor in seinem Leben. Jede Nacht zog es ihn hinauf nach Clava Cairn, wo er sich Revenant nahe fühlte. Manchmal glaubte er, die Kälte und Finsternis der dunklen Welt zu spüren, die seinen Körper durchdrang. Dabei riefen ihn unzählige Stimmen beim Namen und trieben ihn in den Wahnsinn. Selbst das Ohrenzuhalten hatte nichts genützt. Sie ließen ihm keine Ruhe, sondern hallten in seinem Kopf unaufhörlich weiter, bis er die Besinnung verlor.
    Als er neulich wieder zu Bewusstsein gekommen war, lag neben ihm die blutüberströmte Leiche einer jungen Frau. An seinen Händen klebte Blut und auch seine Kleidung war an einigen Stellen rot durchtränkt. Hatte er sie getötet? Er konnte sich nicht mehr daran erinnern. Hatte die Bestie in seinem Inneren ihn schon längst besiegt? Aidan glaubte, je mehr er sich dem Ruf Revenants widersetzte, desto mehr verwirrte es seinen Geist. Löschte es auch seine Erinnerungen?
    Der grausige Anblick der Toten hatte sich ihm eingeprägt und verfolgte ihn. Nackt lag sie auf dem steinigen Boden. Der leere Blick war auf den Menhir gerichtet, als wolle sie ihn für die Tat anklagen. Wo sich vorher ihr Kehlkopf befunden hatte, klaffte nun ein Loch. Der Geruch des Blutes war unwiderstehlich gewesen und hatte seinen Magen knurren lassen. Fast hätte er sich über sie gebeugt, um davon zu trinken. Aber das Blut einer Leiche wirkte wie Gift. Erschrocken über sein Vorhaben war er aufgesprungen und wie ein Verrückter davon gerast, bis er das Schloss erreichte. Aidan rechnete mit Fragen und Vorwürfen Ambers, aber sie hatte geschwiegen. Wie hätte er ihr auch seine Empfindungen erklären können? Er wusste selbst nicht, was und vor allem wer er war. Es war, als wäre ein fremdes Wesen in ihn hinein geschlüpft, das sein Handeln bestimmte.
    Aidan ging ins Bad und stellte sich vor den raumhohen Spiegel, den Mom vor Jahren hatte einbauen lassen und mit dem er die letzten Erinnerungen an sie verband. Er erschrak über sein bleiches Spiegelbild und wich zurück. War er das wirklich, dieser Kerl mit den rot glühenden Augen? Mit dem Finger hob er seine Oberlippe an, um sich seine Reißzähne zu betrachten. Doch die steckten wieder verborgen im Oberkiefer, genauso wie die Krallen an seinen Händen, die nur ausfuhren, wenn ihn etwas erregte.
    „Warrior, höre den Ruf der Schatten“, flüsterte eine Stimme hinter ihm.
    Er sah ihn nicht, aber deutlich spürte er Revenants Gegenwart, was ihn gleichermaßen mit Ehrfurcht und Angst erfüllte.
    „Verschwinde! Lass mich in Ruhe. Ich werde dir niemals folgen“, zischte er zwischen zusammengepressten Zähnen.
    „Du musst deinem Herrn und Meister gehorsam sein.“
    Kaum waren diese Worte ausgesprochen, übermannte Aidan ein stechender Schmerz im Kopf. Irgendetwas versuchte, in ihn einzudringen. Es drückte gegen seine Schädeldecke, um sich Einlass zu verschaffen. Ein Dämon, den Revenant herbeigerufen haben musste. Aidan versuchte, den Quälgeist abzuschütteln, in dem er sich auf den Boden warf und wälzte. Aber es half nichts. Er rappelte sich auf, während dieses widerliche Geschöpf sich in seinen Hinterkopf zwängte und sein Gehirn mit seinen

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