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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
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lassen.“
    Die schmal gezupften Augenbrauen zogen sich über der Nasenwurzel zu einem Strich zusammen, was ihr mit der blassen Haut das Aussehen eines Pierrots verlieh. Ein ungutes Gefühl machte sich in Ambers Magen breit. Irgendetwas stimmte nicht.
    „Danke. Ich werde mal bei Beth vorbeischauen. Bye.“
    Die Frau zuckte mit den Achseln, über ihr Gesicht flog ein Schatten. Dann wich dieser Eindruck zugunsten der kühlen Gelassenheit. „Vielleicht haben Sie ja mehr Glück.“ Sie schnippte die Zigarettenkippe auf den Boden und trat sie aus. Dann drehte sie sich um und ging zurück ins Theater.
    Amber blickte ihr nach. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass die Blonde mehr wusste, als sie zugab. Lautes Hupen hinter ihr holte sie in die Realität zurück.
    „Mein Gott, ich fahre gleich! “, rief sie aus dem Fenster dem hinter ihr drängelnden Autofahrer zu, der verärgert den Kopf schüttelte.
    Amber trat das Gaspedal tief durch, woraufhin der Mini einen kleinen Ruck nach vorn machte. „Lass dich nicht nervös machen“, redete sie sich Mut zu und fuhr im Schritttempo die Nicolson Street weiter.
    Sie fuhr zu Beths Wohnung, die nur zwei Straßen entfernt vom Theater lag, nur einen Katzensprung zum Fast Meadow Park, einer Parkanlage, in der Beth gern nach den Proben spazieren ging. Sie besaß eine winzige Wohnung im Dachgeschoss eines Altbaus. Liebevoll hatte sie die Wohnung eingerichtet. Mom hatte Beth ein paar Tipps zur Inneneinrichtung gegeben. Amber parkte ihren Wagen direkt vor dem Haus und ging zur Haustür, neben der unzählige Klingelschilder prangten. Sie drückte Beths Klingelknopf und wartete auf das Summen des automatischen Türöffners, aber nichts geschah.
    Ein seltsames Gefühl beschlich Amber, als umgäbe dieses Haus die gleiche dunkle Aura wie Gealach Castle. Eine ältere Dame mit gepflegter Hochsteckfrisur steckte den Kopf zum Fenster hinaus, die Amber schon eine Weile durch die Gardine beobachtete hatte.
    „Zu wem wollen Sie, Miss?“
    „Beth Gardener. Aber sie ist nicht zu Hause. Wissen Sie vielleicht, wo ich Sie finden kann?“
    „Nein. Aber Sie sind nicht die Einzige, die nach ihr fragt. Vor ein paar Tagen waren schon mal welche vom Theater da, weil sie nicht zu den Proben erschienen ist. Wundert mich nicht. Bei dem Lebenswandel.“
    „Wie meinen Sie das?“
    „Na, diese Männerbekanntschaft. Bestimmt ist sie mit dem verreist.“ Die Alte setzte eine wichtige Miene auf.
    Das passte nicht zu Beth. Nach ihrer gescheiterten Beziehung vor einem Jahr wollte sie keine neue mehr, das hatte sie immer wieder betont. Amber konnte sich nicht vorstellen, dass die stets korrekte Beth ihren Job, der ihr besonders wichtig war, wegen einer Liaison aufs Spiel setzte.
    Eiseskälte hüllte sie plötzlich ein und ließ sie frösteln. Es herrschte eine bedrückende Atmosphäre, die sich wie ein transparenter Schleier über sie legte. Ihre feinen Härchen stellten sich auf wie Antennen. Für einen Moment glaubte Amber, Revenant befände sich in der Nähe. Sie schüttelte den Kopf. Er konnte es nicht sein. Aber selbst wenn diese Präsenz nicht ihm gehörte, war diese jedoch nicht minder gefährlich. Amber schrak zusammen. Etwas huschte hinter ihrem Rücken vorbei. Ihr Gefühl hatte sie nicht getrogen, ein Geschöpf der Finsternis befand sich in ihrer Nähe und beobachtete sie. Die Alte am Fenster schien nichts davon zu bemerken, sondern beobachtete ein paar Spatzen, die an einem Rest Brötchen pickten, das auf dem schmalen Gehweg lag.
    „Ich werde ein anderes Mal wiederkommen“, sagte Amber und warf einen Blick über die Schulter.
    Sie war sicher, eben noch an der Hausmauer einen Schatten ausgemacht zu haben. Seit der Begegnung mit dem Dämon fühlte sie sich verfolgt. Kein Wunder, wenn ihre Nerven ihr einen Streich spielten. Mitten in Edinburgh, Geschöpfe der Finsternis? Lächerlich. So etwas passte aufs Land, wie nach Clava Cairn, aber nicht in eine belebte Großstadt.
    Andererseits sahen diese Wesen da wohl keinen Unterschied. Ein Blick auf die Armbanduhr verriet, dass ihr nur noch eine Stunde Zeit blieb, wenn sie pünktlich Kevin abholen wollte, zu wenig, um zum Theater zurückzukehren, aber genug, um ein wenig durch die Altstadt mit ihren Shops zu bummeln. Sie verabschiedete sich mit einem knappen Gruß von der Frau am Fenster und lief die steile Gasse entlang, die zur St. Giles Cathedral führte. Kopfsteinpflaster wechselte sich mit steinernen Stufen auf dem Weg zum Marktplatz ab. Die Market Street

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