Mond-Elfe
Süden in Richtung Schloß Roogna. Dort residierte König Dor, und wenn irgend jemand in der Lage war zu helfen, dann er. Er konnte sogar mit unbelebten Dingen sprechen, so daß nichts vor ihm verborgen blieb.
Sie erblickte das Schloß mit seinen schön verzierten Steinfassaden und den Türmen und glitt hinunter, um im Obstgarten zu landen. Dort sammelte eine junge Frau Obst, und Chex war klar, wer das nur sein konnte.
»Chex!« rief das Mädchen heftig winkend. Sie hatte Sommersprossen und hellbraunes, zu zwei Zöpfen geflochtenes Haar. Sie wirkte jünger, als sie tatsächlich war, da sie sich wie ein jüngeres Mädchen benahm. Sie sah aus wie fünfzehn.
»Electra!« antwortete Chex, als ihre Hufe auf dem Rasen aufsetzten. Dann versteifte sie sich.
Tatsächlich, Electra stürmte heran, um sie zu umarmen. Ihr Überschwang ließ sie mit Chex zusammenstoßen, und ihr Aufprall schob die leichte Zentaurin zurück. Es war unangenehm, aber Überschwang war Electras zweite Natur, vielleicht sogar ihre erste. Sie war Prinz Dolphs Verlobte und ein wunderbares Mädchen.
»Aber wo ist Che?« fragte Electra, wobei ihr sommersprossiges Gesicht den Ausdruck von Sorge annahm.
Für einen Augenblick hatte Chex beinahe ihren Kummer vergessen. Nun kehrte er mit Wucht zurück. »Er ist verschwunden!« schnaubte sie. »Irgend etwas hat ihn entführt. Ich brauche Hilfe, um ihn zu finden, bevor…« An dieser Stelle konnte sie nicht mehr weitersprechen.
»Das ist ja schrecklich!« rief Electra aus. »Das mußt du dem König erzählen!«
Als wenn Chex nicht gerade aus diesem Grund hierher gekommen wäre! »Ja, das muß ich«, sagte Chex.
Sie gingen zum Schloß hoch. »Oh, ich vergaß!« rief Electra aus; ihre Zöpfe flogen um ihren Kopf, als sie sich Chex zuwandte. »König Dor ist fort!«
»Fort?« fragte Chex beunruhigt. »Wohin?«
»Ein zeremonieller Besuch bei König Nabob von den Naga.«
»Oh? Was für eine Zeremonie?«
»Nun, sie sind Verbündete, und vielleicht wird es bald noch mehr Gründe für Zusammenkünfte geben. Nada, mußt du wissen.«
Plötzlich merkte Chex die Unsicherheit des Mädchens. Nada Naga war Prinz Dolphs andere Verlobte und in ihrer menschlichen Gestalt eine wirklich liebliche junge Dame. Es war eine politische Bindung gewesen, aber jedermann wußte, daß Dolph Prinzessin Nada gegenüber Electra bevorzugte. Der Zeitpunkt rückte heran, an dem Dolph seine Wahl zwischen den beiden treffen mußte, und es sah für Electra nicht gut aus. Sie war ein wundervolles Mädchen, aber Nada war eben eine wunderschöne Prinzessin.
Unglücklicherweise unterlag Electra einer Verzauberung. Sie liebte Dolph nicht nur, der sie aus einem sehr langen Schlaf befreit hatte, sondern sie würde auch sterben müssen, wenn sie ihn nicht heiratete. Niemand wünschte das! Ironischerweise liebte Nada Dolph nicht. Sie war fünf Jahre älter als er und behandelte ihn wie einen kleinen Jungen. Aber sie hatte ihr Wort gegeben und beabsichtigte es zu halten – so wie es sich für eine Prinzessin geziemte. Es war für jedermann offensichtlich, daß Dolph beide Mädchen glücklich machen konnte, indem er Electra heiratete – aber das wiederum würde Dolph nicht glücklich machen. Und er war noch nicht erwachsen genug, um etwas zu tun, was ihm nicht gefiel. Es war eine vertrackte Situation.
Wie dem auch sei, Chex hatte momentan selbst ein dringendes Problem. »Dann Königin Irene…«
»Sie ist mit ihm gereist. Sie wollte König Nabob und Nadas stattlichen großen Bruder Naldo treffen.«
»Dann Prinzessin Ivy…«
»Die ist mit Grey Murphy zum Schloß des Guten Magiers unterwegs.«
»Es muß doch jemand da sein, der verantwortlich ist!« rief Chex erbost aus.
»Aber sicher. Der Magier Murphy.«
»Dann werde ich wohl ihn aufsuchen.« Chex war damit nicht wirklich zufriedengestellt, da sie Murphy nie vollständig getraut hatte, aber sie konnte nicht darauf warten, bis einer der anderen zum Palast zurückkehrte.
Magier Murphy war ein ergrauender, aber ansonsten ganz gewöhnlicher älterer Mann. »Ja, ich kann dir helfen, Zentaurin«, sagte er. »Erstens will ich eine Suche nach deinem vermißten Fohlen organisieren. Zweitens werde ich meinen Fluch gegen jene richten, die verantwortlich für die Entführung sind, so daß sie auf vielfältige Weise behindert werden. Das wird den Suchenden zusätzliche Zeit verschaffen, ihre Aufgabe zu erfüllen.«
Das war mehr, als Chex von diesem Mann erwartet hatte. Aber sie erinnerte sich selbst
Weitere Kostenlose Bücher