Monde der Finsternis 03 - Mond der Ewigkeit
ausgelöst hatte, und die Krämpfe, die er nicht kontrollieren konnte. Amber hingegen zeigte keine Anzeichen von Schmerz, kein Zittern, nichts. Außerdem hatte ihr Herz wieder zu schlagen begonnen.
Alles sprach gegen eine Verwandlung.
Ein letzter Rest Zweifel blieb dennoch. Seine Erleichterung wurde getrübt, selbst wenn es ihr erspart geblieben war, würde sein Blut sie enger an Revenant und die Schattenwelt binden. Auch dafür würde sie ihn hassen, doch es war zu spät, um es rückgängig zu machen.
Die innere Unruhe trieb ihn in den Glenn, der an Clava Cairn grenzte. Die Schattenwelt war nah, er spürte ihren kalten Atem. Wohin er auch blickte, die Schattenranken hatten sich materialisiert und überwucherten mittlerweile jeden Baum, jeden Stein, selbst über den See von Gealach spannten sie ein Netz, um dem Leben alle Energie auszusaugen. Aus den Enden sprossen schwarze, fingerdicke Triebe mit blutroten Dornen. Schwarze Blüten entfalteten sich und verströmten einen betörend süßen Duft, dem er kaum widerstehen konnte. Aus der Mitte der gefüllten Rosetten ragten filigrane Staubfäden mit goldenen Köpfen heraus, die im leichten Wind hin- und herschwangen. Aidan glaubte, noch nie etwas Vollkommeneres gesehen zu haben. Aber diese Schönheit besaß etwas Tödliches. Davon zeugten die Kadaver, die von den Ranken umklammert im schwarzen Geflecht hingen und ausgesaugt wurden.
Plötzlich schlug eine Ranke nach ihm und traf seine Hand. Er zuckte zurück, als sich ein Dorn in seinen Finger bohrte. Der blutrote Stachel brach ab und blieb in seiner Haut stecken, unter der es sofort zu pulsieren begann. Blut tropfte aus der Wunde auf die Blätter der Ranke und versickerte. An der Stelle, an der eben der Dorn abgebrochen war, wuchs in Sekundenschnelle ein neuer Trieb. Aidan wich zurück und zog den Stachel aus dem Finger.
„Mehr, Warrior, mehr“, flüsterten die Ranken, die nach seinem Blut gierten.
Der Blütenduft intensivierte sich und betäubte seine Sinne. Einmal der Versuchung zu erliegen und sich dem Duftrausch hinzugeben, bedeutete, dem Baum zu verfallen. Alles in ihm sträubte sich gegen diese Vorstellung. Er wandte sich ab und schloss die Augen. Das erwartete ihn also in der Schattenwelt, aber er hatte nichts Besseres verdient.
Er wandte sich von den Ranken ab und durchquerte die Ebene mit dem ausgetrockneten Flussbett, an dessen Ende sich der Flügel befand. Sein dunkles Ich fühlte sich immer stärker vom Steinkreis angezogen und drängte ihn, schneller hinaufzusteigen. Nur der Rest Menschlichkeit versuchte ihn auszubremsen.
Dunkle Wolken ballten sich zusammen. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Blitze am Himmel zuckten und Regentropfen fielen. Je mehr er sich Clava Cairn näherte, desto kälter wurde es und in seinem Inneren stieg der Zweifel auf, sich für die Schattenwelt entschieden zu haben. Doch was hielt ihn hier noch ohne Amber? Grübelnd stapfte er durch den immer dichter werdenden Regen und nahm den Pfad zum Hügel hinauf.
„Komm, Warrior, meine Welt erwartet dich“, hörte er die Stimme des Vampirlords in seinem Kopf. Sie besaß etwas Bestimmendes und gleichzeitig Hypnotisches, dem er sich nur schwer entziehen konnte. Das weckte eine ungeahnte Sehnsucht, sich mit den Geschöpfen der Finsternis zu vereinen. Als Aidan auf der Wiese den einzelnen Menhir passierte, stiegen Erinnerungen auf. Er durchlebte alles aufs Neue, die glücklichen Momente mit Amber und die Angst, sie zu verlieren. In diesem Augenblick wurde ihm erneut bewusst, dass seine Liebe zu ihr niemals erlöschen würde, selbst wenn sein dunkles Ich sie unterdrückte und verleumdete. Sie war da, in seinem toten Herzen.
Aidan stoppte und sah hinauf zu dem Feuer, das inmitten des Steinkreises entflammt war. Eine Gestalt in langer Kutte hantierte mit einem Stock. Diese Szene versetzte ihn in seine Kindheit, als sein Vater dort oben seine Rituale praktiziert hatte. Doch das Bild war anders, das Tor war offen. Sicherlich wusste Amber bereits davon und würde versuchen, Revenant und sein Gefolge zu hindern, diese Welt zu erobern. Sie schwebte in Gefahr.
Das Aufheulen eines Motors ließ ihn aufhorchen. Es war ihr zuzutrauen, dass sie bei dem Wetter mit dem Wagen hier hochgefahren war. Der Motor wurde erneut gestartet und die Reifen drehten durch. Sie musste sich auf dem matschigen Boden festgefahren haben. Er rannte los und stand einen Atemzug später vor dem Wagen. Als er die Fahrertür aufriss, sah er sich Charles gegenüber,
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