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Monde

Titel: Monde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Ihnen das auszurichten, und ich dachte mir, dass ich mich besser beeile, weil Sie vielleicht nicht lange in Neu-Delhi bleiben werden.«
    »Sie sind vor Einbruch der Dämmerung aufgestanden, um mir das auszurichten?« Baedecker betrachtete die junge Frau neben sich eingehend. Jetzt, da sie sich weiter von den grellen Lampen entfernten, schien ihre Haut von sich aus zu leuchten. Im Osten färbte den Himmel schwaches Licht.
    »Kein Problem«, sagte sie und hakte sich bei ihm unter. »Mein Zug ist erst vor ein paar Stunden eingetroffen. Ich hatte nichts zu tun, bis das Büro der USEFI geöffnet hat.«
    Sie hatten die Vorderseite der Schalterhalle erreicht. Bae decker stellte fest, dass sie sich auf dem Land befanden, eine gute Strecke von der Stadt entfernt. In der Ferne ragten Hochhäuser auf, aber die Geräusche und Gerüche rings um sie herum waren ländlicher Natur. So führte die halbkreisförmige Flughafenzufahrt zwar zu einer breiten Autobahn, doch in der Nähe konnte e r gestampfte Feldwege unter Ban yanbäumen erkennen.
    »Wann geht Ihr Flug, Mr. Baedecker?«
    »Nach Bombay? Nicht vor halb neun. Nennen Sie mich Richard.«
    »Okay, Richard. Hätten Sie Lust, einen Spaziergang zu machen und dann zu frühstücken?«
    »Prima«, sagte Baedecker. In diesem Augenblick hätte er alles für ein freies Zimmer gegeben, für ein Bett, etwas Zeit zum Schlafen. Wie spät war es jetzt in St. Louis? Sein übermüdeter Verstand scheiterte an dieser einfachen Rechenaufgabe. Er folgte dem Mädchen, als sie über die regennasse Zufahrt schritt. Vor ihnen ging die Sonne auf.
    Der Sonnenaufgang dauerte schon den dritten Tag an, als sie landeten. Alle Einzelheiten zeichneten sich als schroffes Relief ab. Das entsprach dem Plan.
    Später erinnerte sich Baedecker kaum noch, wie er tatsächlich die Leiter hinuntergestiegen und vom Trittbrett der Landefähre gesprungen war. All diese Jahre der Vorbereitung, der Simulation und Erwartung hatten ihn zu diesem einen Punkt geführt, dieser jähen Schnittstelle von Raum und Zeit – und dennoch erinnerte sich Baedecker später nur noch an ein vages Gefühl von Frustration und Dringlichkeit. Sie lagen dreiundzwanzig Minuten hinter dem Zeitplan zurück, als Dave schließlich als Erster die Leiter hinabkletterte. Sich in die Anzüge zu quälen, die einundfünfzig Punkte der Checkliste abzuhaken und den Druckausgleich durchzuführen, hatte mehr Zeit erfordert als bei den Simulationen.
    Dann bewegten sie sich über die Oberfläche, testeten ihr Gleichgewicht, sammelten Proben ein und versuchten, den Zeitverlust wieder wettzumachen. Baedecker hatte viele Stunden damit verbracht, sich einen kurzen Satz zurechtzulegen, den er rezitieren wollte, wenn er erstmals einen Fuß auf die Mondoberfläche setzte – eine »Fußnote der Geschichte«, wie Joan sich ausgedrückt hatte –, aber Dave riss einen Witz, kaum dass er von der letzten Stufe gesprungen war, Houston hatte einen Funkcheck verlangt, und der Augenblick war vorbei.
    Baedecker besaß nur zwei ausgeprägte Erinnerungen an den Rest dieses ersten Ausflugs. Zum einen die verdammte Checkliste, die an seinem Handgelenk festgebunden war. Sie hatten es nicht geschafft, die verlorene Zeit wieder aufzuholen, nicht einmal als sie die dritte Erzsammlung und die zweite Überprüfung der Leitspeicher des Rovers, ihres kleinen Geländefahrzeugs, ausließen. Wie hatte er diese Checkliste gehasst.
    Die andere Erinnerung besuchte ihn ab und zu noch in seinen Träumen. Die Schwerkraft. Ein Sechstel G. Das schiere Vergnügen, über die gleißende, felsübersäte Oberfläche zu hüpfen, wo die geringste Berührung ihrer Stiefel als Abstoß genügte. Das weckte eine n och frühere Erinnerung in Baede cker; er war ein Kind und lernte im Michigan-See schwimmen. Sein Vater hielt ihn unter den Armen, während er sich strampelnd seinen Weg über den Sand am Grund des Sees bahnte. Die wunderbare Leichtigkeit, die kräftigen Arme seines Vaters, das sanfte Auf und Ab der grünen Wellen, und das Gefühl von perfekt ausbalanciertem Gewicht und Auftrieb, das sich von seinen Fußsohlen emporwand. Davon träumte er immer noch.  
    Die Sonne ging auf wie ein großer, orangefarbener und – das Licht von der erwärmten Luft gebrochen – in die Breite gezogener Ballon. Baedecker musste an Ektachrome-Fotos im National Geographi c denken. Indien! Insekten, Vögel, Ziegen, Hühner und Vieh stimmten in den zunehmenden Verkehrslärm von der unsichtbaren Autobahn ein. Selbst diese

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