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Monde

Titel: Monde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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sitzen.
    »Nun«, sagte Bürgermeisterin Seaton, »das war doch ein Riesenspaß, oder nicht?«
    Baedecker nickte und spähte nach oben. Metall und Polster des Autos waren sehr heiß. Die Sonne hatte den Zenit fast erreicht. Über dem Horizont konnte man gerade noch die blasse Scheibe des Dreiviertelmonds am wolkenlosen Himmel erkennen.  
    »Dickie!«
    Baedecker sah vom Tisch auf, wo er mit den anderen ein Bier trank. Die etwas grobschlächtige Frau, die vor ihm stand, war in den mittleren Jahren, mit kurzem, blondem Haar. Sie trug eine bedruckte Bluse und Stretchhosen, die sich den maximalen Ausdehnungswerten des Herstellers näherten. Baedecker kannte sie nicht. Das Licht im Zelt der American Legion war düster, ein weiches Sepia. Die warme Luft roch nach Segeltuch. Baedecker erhob sich.
    »Dickie!«, wiederholte die Frau, trat auf ihn zu und nahm seine freie Hand in ihre beiden. »Wie geht ’ s dir?«
    »Gut«, sagte Baedecker. »Und Ihnen?«
    »Oh, einfach prima, einfach prima. Du siehst wunderbar aus, Dickie, aber was ist mit deinem Haar passiert? Ich kann mich noch erinnern, dass du mal ‘ nen dichten Sch o pf rotes Haar hattest.«
    Baedecker lächelte und strich sich unwillkürlich mit der Hand über die Kopfhaut. Die Männer, mit denen er sich unterhalten hatte, wandten sich wieder ihrem Bier zu.
    Die Frau hielt sich die Hand vor den Mund und kicherte. »Ach Gott, du erinnerst dich nicht an mich, oder?«
    »Ich habe ein schreckliches Namensgedächtnis«, gestand Baedecker.
    »Ich hab mir gedacht, zumindest an Sandy würdest du dich erinnern«, sagte die Frau und schlug verspielt nach Baedeckers Handgelenk. »Sandy Serrel. Wir waren die besten Freunde. Weißt du nicht mehr, Donna Lou Herford und ich sind in der vierten und fünften Klasse immer mit dir und Mickey Farrell und Kevin Gordon und Jimmy Haines rumgezogen.«
    »Aber natürlich«, sagte Baedecker und schüttelte ihr noch einmal die Hand. Er konnte sich trotzdem nicht an sie erinnern. »Wie geht es dir?«
    »Dickie, das hier ist mein Mann Arthur. Arthur, das hier ist mein alter Schulfreund, der auf dem Mond war.« Baedecker begrüßte einen spindeldürren Mann in einem Softballtrikot mit der Aufschrift »Bestattungsunternehmen Taylor«. Sein Gegenüber war von oben bis unten mit einen Schmutzfilm überzogen, unter dem man an Hals, Gesicht und Handgelenken rote Runzeln sehen konnte.
    »Ich wette, du hättest nie gedacht, dass ich mal heiraten würde«, sagte Sandy Serrel. »Jedenfalls keinen anderen, hm?«
    Baedecker erwiderte das Lächeln der Frau. Einer ihrer V o rderzähne war abgebrochen.
    »Komm mit. Das nächste Spiel fängt an«, sagte ihr Mann. Die große Frau packte Baedeckers Hand und Arm wieder mit einem festen Griff. »Wir müssen los, Dickie. War echt toll, dich wiederzusehen. Du solltest später mal vorbeischauen, dann stell ich dich Shirley und den Zwillingen vor. Vergiss nur nicht, dass ich bei deinem ganzen Mondaufenthalt zum lieben Gott gebetet habe. Wenn wir nicht alle gebetet hätten, hätte euch der liebe Gott nie und nimmer wohlbehalten nach Hause kommen lassen.«
    »Ich werde es nicht vergessen«, sagte Baedecker. Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Dann entfernte sie sich mit ihrem dürren Mann, und Baedecker blieb mit einem kratzigen Gefühl auf der Wange und einem hartnäckigen Geruch nach schmutzigen Handtüchern zurück.
    Er setzte sich und bestellte noch eine Runde Bier.
    »Arthur erledigt hauptsächlich anfallende Arbeiten draußen auf dem Friedhof«, erklärte Phil Dixon, ein Mitglied des Stadtrats.
    »Er ist Stinky Serrel s d ritter Mann«, ergänzte Bill Ack royd. »Und sieht nicht so aus, als wäre er ihr letzter.«
    »Stinky Serrel!«, rief Baedecker und stellte das Glas auf den Tisch. »Mein Gott.« Abgesehen davon, dass sie ein unerwünschter Eindringling gewesen war, der ihm und seinen Freunden auf der Straße folgte, erinnerte er sich nur noch an ein einziges Erlebnis mit ihr. In der fünften Klasse hatte sie sich in der Mittagspause auf dem Spielplatz neben ihn gestellt, nachdem gerade jemand auf einem Hengst vorbeigeritten war.
    »Ich weiß nicht, wie ihr Jungs das fertigbringt«, hatte sie gesagt und auf den Hengst gedeutet.
    »Was?«, hatte er gefragt.
    »Mit so ‘ nem Gehänge zwischen den Beinen rumlaufen«, raunte sie ihm leise ins Ohr. Baedecker erinnerte sich daran, wie er schockiert zurückgewichen und errötet war, wütend, weil er errötete.
    »Stinky Serrel«, wiederholte

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