Monde
Ratte sprang schnurgerade in die Luft und fiel zuckend zurück.
Baedecker schleuderte die leere Bierdose in die Schlucht. Er nahm das Gewehr von Foster entgegen und hielt es schräg von sich weg. Baedeckers Stimme klang belegt und monoton. »Aber hier in Glen Oak hätte ich fast mal jemand erschossen.«
»Ohne Scheiß? Wen?«
»Chuck Compton. Erinnerst du dich an ihn?«
»Dieser Wichser. Ja. Wie könnte man einen Fünfzehnjährigen vergessen, der noch in der sechsten Klasse hockt? Hat Pall Mall auf dem Klo geraucht. Compton war ein gemeines Arschloch.«
»Ja«, sagte Baedecker. »Ich hab ihn gar nicht beachtet, bis ich in die sechste Klasse kam. Dann hat er beschlossen, mich jeden zweiten Tag windelweich zu prügeln. Hat mir nach der Schule aufgelauert. Solche Sachen. Ich hab versucht mich freizukaufen, ihm Vierteldollarmünzen und was von meinem Pausenbrot abgegeben – Hershey-Schokoriegel, wenn ich welche hatte –, ihm sogar Lösungen bei Erdkundearbeiten zugesteckt und so weiter. Er hat alles einkassiert, aber das hat mir nichts genützt. Compton ging es nicht um die Sachen. Es hat ihm einfach Spaß gemacht, andere Menschen zu quälen.«
»Was ist passiert?«
»Meine Mutter hat mir gesagt, ich soll mich gegen ihn wehren. Sie meinte, alle Schläger sind Feiglinge … wenn man ihnen trotzt, ziehen sie Leine. Danke, Galen.« Baedecker griff nach dem frischen Bier und trank einen großen Schluck. »Also hab ich ihn an einem Freitag angesprochen und bin zum Kampf angetreten. Er hat mir an zwei Stellen die Nase gebrochen, mir einen Zahn ausgeschlagen und mir um ein Haar die Rippen zertrümmert. Vor all den anderen.«
»Ja, typisch Compton.«
»Ich hat ungefähr eine Woche darüber nachgedacht«, sagte Baedecker. »Dann sah ich ihn an einem Samstagvormittag auf dem Spielplatz gegenüber von unserem Haus. Ich bin nach oben und hab meine doppelläufige Flinte aus Moms Schrank geholt.«
»Du hattest deine eigene Waffe?«
»Mein Vater hat sie mir zum achten Geburtstag geschenkt«, sagte Baedecker. »Schrotflinte Kaliber vierzehn unten. Einzelschuss Kaliber .22 oben.«
»Eine Savage«, sagte Foster. »Mein Bruder hatte auch eine.« Er warf die Zigarettenkippe weg.
»Was ist passiert?«
»Zuerst nahm ich das Fliegengitter am Schlafzimmerfenster meiner Mom ab und wartete drauf, dass er die Straße überqueren würde«, erwiderte Baedecker. »Er konnte mich hinter den Spitzenvorhängen nicht sehen. Ich lud beide Läufe, überlegte mir aber, dass ich den Vierzehner benützen würde. Dachte mir, damit könnte ich auf zehn Meter nicht danebenschießen. So nahe war er.«
»Auf die Entfernung würde eine Vierzehner einem ein hübsches Muster verpassen«, sagte Foster.
»Ich hatte sie mit sechser Wachtelmunition geladen«, sagte Baedecker.
»Herrgott.«
»Ja. Ich wollte, dass Comptons Eingeweide auf den Boden quellen wie die von dem Kaninchen, das mein Vater ein paar Wochen zuvor mit dieser Munition geschossen hatte.
Ganz ruhig ich am Lauf entlang auf Comptons Gesicht gezielt. Ich senkte das Korn auf seinen Gürtel, weil ich immer etwas zu hoch und nach links hielt. Ich weiß noch, ich suchte Gründe, weshalb ich das Arschloch leben lassen sollte. Bloß fielen mir einfach keine ein. Ich drückte ab, wie mein Vater es mir beigebracht hatte – atmete nicht, verkrampfte mich aber auch nicht, drückte ganz langsam und sanft, statt ruckartig. Nichts passierte. Ich hatte es vermasselt. Die verdammte Sicherung war drin. Ich löste sie und befreite den vierzehner Schlagbolzen, und dann musste ich neu zielen, weil der Drecksack ein paar Schritte gemacht hatte. Er blieb stehen und sagte was zu einem Nachbarsmädchen, das Seilhüpfen spielte, und ich zielte auf seinen verlängerten Rücken. Er stand nur sieben oder acht Schritte entfernt.«
»Und was dann?«, fragte Foster. Er zündete sich eine neue Zigarette an.
»Dann hat meine Mutter mich zum Essen gerufen«, sagte Baedecker. »Ich entlud beide Läufe und stellte die Waffe weg. Die nächsten paar Wochen bin ich Compton, so gut ich konnte, aus dem Weg gegangen. Nach einer Weile hatte er es satt, mich zu schikanieren. Im Mai drauf sind wir dann weggezogen.«
»Hm«, sagte Foster und trank einen großen Schluck Bier. »Chuck Compton war immer ein Arschloch.«
»Was ist aus ihm geworden?«, fragte Baedecker und stellte sein Bier vorsichtig auf den Boden. Er hob die .22er und zielte in die Schlucht hinunter.
»Er hat Sharon Cahill aus Princeville geheiratet«, sagte
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