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Monde

Titel: Monde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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stoße dann zu euch.«
    Baedecker zögerte, aber Lude lachte lauthals. Er packte das Spritzenbesteck weg. »Auf gar keinen Fall, Mann. Ich hab nicht fünfundzwanzig Kilometer hinter mich gebracht, um meine Sachen wieder einzupacken und einen Rückzieher zu machen. Keine Chance.« Er rappelte sich auf und versuchte, sich das lange Bündel wieder aufzuladen. Er kam fünf Schritte weit, dann sank er auf die Knie.
    »Hier«, sagte Baedecker, löste die segeltuchverpackten Stangen vom Rucksack und half Lude auf die Füße. »Sie tragen den Rucksack. Ich nehme das hier.« Baedecker wandte sich bergauf und stellte überrascht fest, wie leicht die langen Stangen waren. Tom Gavin stieß einen Stoßseufzer aus und ging voraus.
    Der Hang wurde steiler, der Weg schmaler, das Gefühl des Ausgeliefertseins dicht unterhalb des Gipfels dramatischer, aber es war die Höhe, die Baedecker auf den letzten hundert Metern fast in die Knie zwang. Seine Lungen bekamen nicht genug Luft. Das Läuten in seinen Ohren hörte nicht auf. Baedecker spürte, wie sein Blick im dröhnenden Rhythmus seines Pulses verschwamm. Am Ende vergaß er alles außer der Aufgabe, einen Fuß höher zu setzen als den anderen und dann das Gewicht gegen die schreckliche Schwerkraft zu verlagern, die ihn auf die felsige Bergflanke zu pressen drohte. Irgendwann gelangte er auf ein breiteres flaches Stück und wäre beinahe über die steile Nordseite hinuntergestolpert, bevor ihm klarwurde, dass sie den Gipfel erreicht hatten. Er plumpste zu Boden und ließ die Stangen fallen, als Lude sich gerade neben ihm niedersinken ließ.
    Gavin setzte sich auf einen großen Stein in der Nähe. Er zog ein Bein an und rauchte eine Pfeife. Der Geruch des Tabaks hing beißend und klar in der kalten Luft. »Wir sollten hier oben nicht zu viel Zeit verbringen, Dick«, sagte er. »Wir müssen packen und zurück zum Henson Creek.«
    Baedecker sagte nichts; er beobachtete Lude. Der kleine Mann war immer noch blass, und seine großen Hände zitterten, aber nun kroch er zu der langen Tragetasche und zerrte die Aluminiumstangen heraus. Er breitete ein quadratisches rotes Nylontuch aus, holte ein Werkzeugset aus dem Rucksack und legte die Teile zurecht.
    »Kabel«, sagte Lude. »Edelstahl. Geschweißt.«
    Baedecker stolperte hinüber und sah zu, wie er weitere Verpackungen zutage förderte.
    »Schultergurt«, sagte Lude. »Kniehänger mit Klettverschluss befestigt. Mit diesem Karabinerhaken anbringen.«
    Baedecker berührte den Metallring, spürte die Wärme der Sonne auf der Oberfläche und den kälteren Stahl darunter.
    »Schrauben und Bolzen«, sagte Lude und legte Tütchen und Einzelteile gemäß einem vorgegebenen Plan auf den roten Stoff. Seine Stimme hatte den Tonfall einer Litanei angenommen. »Kabelspanner. Sättel, Bürsten, Griffzapfen, Nutabdeckungen.« Er holte größere Teile heraus. »Tragflächengestänge, Bugplatten, Klammern, Querstrebe, Steuergestänge.« Er tätschelte das zusammengelegte Gewebe. »Segel.«
    »Wir sollten zurück«, sagte Gavin.
    »Nur noch einen Moment«, sagte Baedecker.
    Lude hatte die langen Aluminiumröhren an ihrem Apex miteinander verbunden und klappte sie in einem Winkel von hundert Grad aus. Orangeweißer Dacron-Stoff entfaltete sich wie Schmetterlingsflügel in der Sonne. Er brauchte nur wenige Minuten, bis er eine vertikale Stange und ein Kreuz festgeschraubt hatte. Danach befasste er sich mit den Kabeln, die die Einzelteile miteinander verbanden. »Helfen Sie mir, Mann, ja?« Er nickte Richtung Baedecker.
    Baedecker griff nach den Werkzeugen und folgte den Anweisungen des jungen Mannes, sicherte Bolzen, befestigte Flugdrähte am Lenkgestänge, drehte Schrauben fest. Lude blies Taschen unter der Leitkante der Tragflächen auf, und da bemerkte Baedecker zum ersten Mal, dass sich der Radsturz dort justieren ließ. Da er dreißig Jahre lang geflogen war, konnte er die elegante Einfachheit des Rogallo nur bewundern: die Essenz bemannten Fluges schien in diese wenigen Meter Stahl, Aluminium und Dacron destilliert worden zu sein. Als sie fertig waren, überprüfte Lude sämtliche Verbindungen und Justierungen Baedeckers, und dann stand der Hanggleiter da wie ein buntes, zu groß geratenes Insekt, das bereit war, ins All zu springen. Baedecker registrierte erschrocken , wie groß der Gleiter war, drei Meter sechzig von der Bugplatte bis zum Kiel, ganze acht Meter Flügelspannweite.
    Gavin klopfte die Pfeife auf dem Stein aus. »Wo ist Ihr

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