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Monde

Titel: Monde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Lichts fest. Donner grollte und löschte sämtliche Laute aus, abgesehen von Herzschlägen und geflüsterten Zärtlichkeiten. Einmal blickte Baedecker zu Maggie auf, die über ihm saß, während sie die Arme wie Tänzer ausstreckten, die Finger ineinander verhakt, und der Nylonstoff der Zeltwand sich grell hinter ihr abzeichnete, nun da ein Blitz auf den anderen folgte und das Donnergrollen wie Wogen über sie hinwegrauschte. Einen Augenblick später, als sie sich eng umschlungen wiegten und er sich noch gegen die Explosion seines Orgasmus wehrte, war sich Baedecker ganz sicher, dass er sie über die Kaskade der Geräusche von draußen flüstern hörte: »Ja, Richard, lass los. Ich hab dich. Lass einfach los.«
    Sie rollten sich, während sie sich immer noch schwach bewegten, im Gewühl der Matten und Schlafsäcke auf die Seite; der Wind schwoll jetzt zu einem schrecklichen Crescendo an, das Zelt rüttelte heftig an seinen Verankerungen, und zwischen Blitz und Donner lag nicht einmal mehr eine Sekunde. Sie kuschelten sich fest aneinander.
    »KOMMT SCHON, IHR GÖTTER, LASST SEHEN, WAS IHR ALLES DRAUFHABT! LOS DOCH, IHR FEIGLINGE!« Der Schrei ertönte unmittelbar vor dem Zelt, ihm folgte ein dröhnender Donnerschlag.
    »Großer Gott«, flüsterte Maggie. »Was ist das denn?«
    »KOMMT SCHON, AUF ZUR GÖTTLICHEN OLYMPIADE. ZEIGT EUER KÖNNEN, DAS GEHT DOCH NOCH BESSER! ZEIGT ES UNS, IHR VERDAMMTEN SCHEISSER!« Dieses Mal klang der Schrei so rau und schrill, dass er fast nichts Menschliches mehr hatte. Den letzten Worten folgten ein Blitzschlag und ein so lauter Knall, dass es schien, als würde der Himmel von gigantischen Händen aufgerissen. Baedecker schlüpfte hektisch in seine Shorts an und steckte den Kopf aus dem Zelt. Einen Augenblick später folgte ihm Maggie, die Baedeckers Flanellhemd übergestreift hatte. Es regnete noch nicht, aber beide mussten die Augen zusammenkneifen, weil die Sturmböen Staub und Geröll aufwirbelten.
    Tommy Gavin Jr. stand auf dem Felsen zwischen den Zelten. Er war nackt, hatte um Gleichgewicht bemüht die Beine gespreizt, die Arme erhoben und den Kopf zurückgelegt. Mit einer Hand umklammerte er eine fast leere Flasche Johnny Walker. Mit der anderen eine ein Meter lange Zeltstange aus Aluminium. Das Metall schimmerte bläulich. Hinter dem Jungen konnte Baedecker Blitze durch gigantische Donnerwolken zucken sehen, die dunkler und näher aufragten als die Berggipfel um sie herum.
    »Tommy!«, brüllte Gavin. Er und Deedee hatten Köpfe und Schultern aus ihrem flatternden Zelt gestreckt. »Komm da runter!« Der Wind riss die Worte mit sich.
    »KOMMT SCHON, GÖTTER, ZEIGT MIR WAS!«, kreischte Tommy. »DU BIST DRAN, ZEUS. LOS DOCH!« Er stieß die Zeltstange in die Höhe.
    Ein blauweißer Blitzstrahl schien von einem nahegelegenen Gipfel emporzuschnellen. Baedecker und Maggie zuckten heftig zusammen, als das Trommelfeuer des Donners über sie hinwegrollte. Ein paar Schritte entfernt brach das Zelt der Gavins im zunehmenden Sturm zusammen.
    »DAS SIND BLOSS SECHS KOMMA ACHT«, schrie Tommy, während er eine imaginäre Wertungskarte emporhielt. Er hatte die Flasche fallen lassen, schwenkte aber immer noch die Zeltstange. Gavin bemühte sich fieberhaft, sich aus dem eingestürzten Zelt zu befreien, aber die Plane hüllte ihn ein wie ein orangefarbenes Leichentuch.
    »OKAY, SATAN, DANN ZEIG DU, WAS DU KANNST«, brüllte Tommy und lachte hysterisch. »LASS SEHEN, OB DU SO GUT BIST, WIE DER ALTE BEHAUPTET.« Er vollführte eine Pirouette, wäre um ein Haar gestürzt und wahrte das Gleichgewicht nur knapp, zwei Meter über ihnen am Rand des Felsens. Baedecker bemerkte, dass der Junge eine Erektion hatte. Maggie sagte Baedecker etwas ins Ohr, aber die Worte gingen im Donner unter.
    Die beiden gegabelten Blitze zuckten gleichzeitig auf sie nieder, auf jeder Seite des Lagers einer. Baedecker war mehrere Sekunden lang geblende t, während derer er sich irrwit zigerweise an die elektrischen Eisenbahnen erinnerte, die er als Junge besessen hatte. Das Ozon, dachte er. Als er wieder sehen konnte, erblickte er Tommy, der lachend auf dem Felsen herumhüpfte, wo der Wind ihm das Haar zerwühlte. »NEUN KOMMA FÜNF!«, schrie der Junge. »SAUGUT!«
    »Mach, dass du da runterkommst«, brüllte Gavin. Endlich hatte er sich aus dem Zelt befreit und haschte mit den Händen nach Tommys Knöcheln. Der Junge tänzelte auf dem Felsen rückwärts.
    »MUSS DOCH JESUS NOCH AN DIE REIHE KOMMEN LASSEN«, schrie Tommy.

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