Monde
Korbsessel heraus anlächelte. Staunend schaute er sich um und versuchte gar nicht erst, seinen entzückten Gesichtsausdruck zu verbergen.
Das alte Dachgebälk der Schule war zu einer Glaskuppel von mindestens fünf mal fünf Metern ausgebaut worden, und selbst der Dachfirst war mit Oberlichtern verglast. Baedecker konnte an dem Licht erkennen, dass das Glas polarisiert war. Es verstärkte noch die ohnedies leuchtenden Farben von Himmel und Laub, betonte und schärfte alle Schattierungen, während es von außen bei Tage milchig erschien. Draußen verlief eine schmale Aussichtsplattform mit kunstvollem schmiedeeisernen Geländer entlang zweier Giebel vom Glockenstuhl aus nach Osten und Westen. Im Inneren standen mehrere Korbsessel, ein Tisch mit einem Teeservice und Sternenkarten darauf und ein antikes Messingteleskop auf einem hohen Stativ.
Aber das Panorama war das Beste daran. Von ihrem Aussichtspunkt zwölf Meter über der Stadt konnte er über Dächer und Baumwipfel hinweg zu den Felswänden des Tals und den Vorgebirgen und dahinter bis zu den hohen Klippen sehen, wo Blöcke uralten Sedimentgesteins aus dem Boden ragten wie Dornen aus brüchigem Stoff. Der polarisierte Himmel hatte einen derart dunklen Farbton, dass Baedecker an die seltenen Flüge oberhalb zweieinhalbtausend Meter Höhe denken musste, bei denen die Sterne am Tag sichtbar werden und die kobaltblaue Krümmung des Himmels mit der Schwärze verschmilzt. Baedecker bemerkte, dass die Sterne jetzt tatsächlich sichtbar wurden, sie erschienen in Paaren und kleinen Gruppen am Himmel wie frühe Theaterbesucher, die nach den besten Plätzen suchen.
Eine Brise wehte durch die Fliegengitter ganz unten an den Glaswänden, der Wind spielte mit den Seiten eines Buchs auf einer Sessellehne, und Baedecker schenkte seine Aufmerksamkeit endlich der Frau, die zu ihm emporlächelte.
»Miz Callahan«, sagte Dave, »das ist Richard Baedecker. Richard, Miz Elizabeth Sterling Callahan.«
»Wie geht es Ihnen, Mr. Baedecker«, sagte die Frau und streckte die Hand aus, Handfläche nach unten.
Baedecker ergriff sie und musterte die alte Dame nun genauer. Zuerst hatte er den Eindruck gehabt, eine Frau Ende sechzig vor sich zu haben, aber nun korrigierte er das Alter um mindestens ein Jahrzehnt nach oben, wahrscheinlich mehr. Trotz ihrer Jahre besaß Elizabeth Sterling Callahan eine Schönheit, die zu tief saß, als dass die Zeit allein sie hätte besiegen können. Ihr Haar war weiß und kurz geschnitten, und es stand wie elektrisiert von dem markanten Gesicht ab. Die Wangenknochen zeichneten sich deutlich unter der von Sonne und Alter fleckig gewordenen Haut ab, aber die kleinen braunen Augen funkelten lebhaft und intelligent, das Lächeln war immer noch bezaubernd.
»Ich bin hocherfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miz Callahan«, sagte Baedecker.
»Jeder Freund von Dave ist auch ein Freund von mir«, sagte sie, und Baedecker lächelte angesichts ihrer rauchigen Stimme. »Bitte setzen Sie sich. Sable, sag unseren Freunden Hallo.«
Baedecker entdeckte, dass ein schwarzer Labrador sich im Schatten hinter dem Stuhl zusammengerollt hatte. Der Hund blickte freudig auf, als Dave sich bückte, um ihn zu kraulen.
»Wie lange?«, fragte Dave und tätschelte die Flanke des Hundes.
»Geduld, Geduld«, lachte Miz Callahan. »Gut Ding will Weile haben.« Sie wandte sich an Baedecker. »Ist das Ihr erster Besuch in unserer Stadt, Mr. Baedecker?«
»Ja. Ma ’ am«, sagte Baedecker, der sich in ihrer Gegenwart wie ein Schuljunge fühlte, ein Gefühl, das nicht unbedingt unangenehm war.
»Nun, es ist ein ruhiges kleines Fleckchen«, sagte Miz Callahan, »aber ich hoffe, dass es Ihnen hier gefällt.«
»Ich finde es wunderschön«, sagte Baedecker. »Und Ihr Haus gefällt mir außerordentlich gut. Sie haben es wunderbar hergerichtet.«
»Danke, Mr. Baedecker«, sagte sie, und Baedecker konnte ihr Lächeln im spärlichen Licht erahnen. »Mein verstorbener Mann und ich haben den größten Teil der Arbeiten machen lassen, als wir uns Ende der Fünfzigerjahre hier in den Ruhestand zurückzogen. Die Schule stand fast dreißig Jahre leer und befand sich in einem schrecklichen Zustand. An manchen Stellen war das Dach eingestürzt, Tauben nisteten in allen Zimmern des ersten Stocks – meine Güte, es war wirklich furchtbar. David, da auf dem Tisch steht ein Krug Limonade. Würden Sie uns welche einschenken? Danke, mein Lieber.«
Baedecker trank Limonade aus einem kristallenen
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