Monde
Ziegel ersetzen und ganz allgemein den Zustand der Hütte aufpolieren, die jahrelang leergestanden hatte – war Scott still und mürrisch gewesen. Baedecker hatte ein Transistorradio mitgebracht, und die Nachrichten brachten nichts anderes als Berichte über Nixons bevorstehenden Rücktritt. Joan verfolgte die Watergate-Sache, seit vor einem Jahr die ersten Fernsehübertragungen der Anhörungen angefangen hatten. Zuerst missfielen ihr das, weil die Berichterstattung den Zeitplan ihrer Lieblingsseifenopern durcheinanderbrachte, aber bald fieberte sie ihnen entgegen, sah sich die abendlichen Wiederholungen im PBS an und sprach mit Baedecker kaum mehr über etwas anderes. Ihm, der eine Fliegerlaufbahn beendete, die er seit seinem achtzehnten Lebensjahr verfolgte, erschienen Nixons letzte qualvolle Windungen unbeholfen und peinlich, sichtbare Zeichen einer in Auflösung begriffenen Gesellschaft, die er bereits voll Traurigkeit betrachtete.
Bei der Blockhütte handelte es sich in Wirklichkeit um ein eingeschossiges Holzhaus, das überhaupt nicht zu den Ranchhäusern aus Stein und Backstein und den neuen Holzlattenbauten passen wollte, die rings um den Stausee herum entstanden. Die Blockhütte erhob sich inmitten von drei Morgen Waldwiese auf einem Hügel. An seinem Fuß formte der See eine schmale Bucht, und es gab einen kurzen Steg, den Baedeckers Vater in dem Sommer gebaut hatte, als Eisenhower wiedergewählt worden war. Baedeckers Eltern hatten daran gearbeitet, die Zimmer im ersten Stock fertigzustellen und eine Veranda an der Rückwand anzubauen, aber als er nach dem Tod seiner Frau dorthin zog, ließ Baedeckers Vater die Arbeit unvollendet.
Baedecker und Scott rissen die verfaulten Überreste der angefangenen Veranda an dem Tag ab, als Nixon seinen Rücktritt bekanntgab. Baedecker erinnerte sich, wie sie an jenem Donnerstagabend vor der Blockhütte saßen, Hamburger aßen, die Scott gegrillt hatte, und den letzten Bekundungen von Selbstmitleid und Trotz des scheidenden Präsidenten lauschten. Nixon endete mit dem Satz: »Während meiner gesamten Amtszeit hat mich eine persönliche Beziehung mit jedem einzelnen Amerikaner verbunden. Wenn ich nun scheide, möchte ich es mit einem Gebet tun: Möge Gott Sie in allen kommenden Tagen segnen.« Scott sagte sofort: »Zieh einfach Leine, du verlogener Arsch. Wir werden dich nicht vermissen.«
»Scott!«, bellte Baedecker. »Dieser Mann ist bis morgen Mittag Präsident der Vereinigten Staaten. Ich werde nicht zulassen, dass du so über ihn sprichst!«
Der Junge hatte schon den Mund geöffnet, um zu antworten, aber in Baedeckers Befehl lagen zwei Jahrzehnte Drill des Marine-Korps, und so konnte Scott nur den Teller hinwerfen und mit roten Kopf davonlaufen. Baedecker hockte allein im letzten Schein der Dämmerung über Arkansas und sah zu, wie das weiße Hemd seines Sohnes bergab Richtung Steg verschwand. Baedecker war klar, dass Scotts Verdrossenheit in den wenigen Tagen, die noch vor ihnen lagen, weiter zunehmen würde. Ihm war auch klar, dass Scott, wenn auch unverblümter, genau das ausgesprochen hatte, was Baedecker selbst über Nixons Abschied dachte. Bei ihrer Ankunft hier am See hatte Baedecker die Blockhütte gemustert und an seinen ersten Besuch hier gedacht. Damals war er zum ersten Mal überhaupt in Arkansas; er fuhr von Yuma, Arizona, mit seinem neuen Thunderbird direkt durch und fühlte sich ständig an Neu-England erinnert, wenn er durch kleine Orte mit Namen wie Choctaw und Leslie, Yellville und Salesville kam. Deswegen rechnete er halb damit, das Meer zu sehen und nicht den langgestreckten See, wo seine Eltern ihr Land gewonnen hatten.
Der Anblick seines Vaters hatte ihn erschüttert. Obwohl Baedeckers Vater vierundsechzig Jahre alt war, hatte er immer mindestens zehn Jahre jünger gewirkt. Jetzt war sein Haar immer noch rabenschwarz, aber graue Stoppeln bedeckten die Wangen, und sein Hals war faltig geworden, seit Baedecker ihm zum letzten Mal acht Monate zuvor in Illinois begegnet war. Baedecker wurde bewusst, dass er seinen Vater in vierundzwanzig Jahren nicht einmal unrasiert erlebt hatte.
Baedecker war am Abend des 5. Oktober 1957 eingetroffen, am Tag nach dem Start des Sputnik. Spät in der Nacht war sein Vater zum Steg hinuntergegangen, um zu angeln und nach dem Satelliten Ausschau zu halten, obwohl Baedecker ihm versichert hatte, dass man ihn mit bloßem Auge nicht erkennen konnte, weil er zu klein war. Es war eine kühle Neumondnacht, der fast
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