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Mondgeschöpfe (Phobos)

Mondgeschöpfe (Phobos)

Titel: Mondgeschöpfe (Phobos) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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kennengelernt."
    Manu war sehr wütend: "Ich hätte beinahe einen Herzschlag bekommen."
    "Ja, dieser Seelenspiegel ist nicht zu verachten. Jeder sieht in ihm, was er am meisten zu sehen fürchtet." Ich erläuterte das Phänomen nicht weiter, weil ich sah, dass Manu innerlich kochte und bestimmt keinen Bock auf Erklärungen hatte.
    Schweigend begann ich, ein einfaches Mahl und Tee zuzubereiten. Natürlich tat sie in dieser Nacht kein Auge mehr zu. Oder kaum eines. Mag sein, dass mein Tee zu stark für sie war. Wahrscheinlicher aber war, dass ihre aufgereizten Nerven sie zu erschreckenden Wahrnehmungen brachten. Meine Wächter haben es in si ch, was mich auch ein bisschen stolz macht. Unsägliche Geräusche drangen aus der Tiefe des Gewölbes an unsere Ohren. Schatten schlugen sich an der Decke nieder, deren Ursprungsgestalten jegliche Vorstellungskraft überstiegen.
    Am dritten Tage unseres Aufenthaltes in diesem perfekten Versteck begannen unsere Vorräte zur Neige zu gehen. Wir teilten uns die letzte Dose Bohnen. Als ich Manu ihren Teller reichte, berührte ich ihre Hand. Sie fühlte sich warm und weich an, und trotzdem zuckte ich zurück.
    Manu lachte: "Wie kommt es eigentlich, dass ein so großer starker Mann mit so ungewöhnlichen Fähigkeiten dermaßen schüchtern ist?"
    Eine von den Fragen, die ich ausgesprochen hasse. "Ich weiß es auch nicht", antwortete ich entsprechend ratlos. "Ich habe auch schon oft darüber nachgedacht."
    Manu wurde ernst: "Hat es was mit meiner Beziehung zu Renfield zu tun? Ist er dir zu... schmutzig gewesen? Haftet sein Geruch noch an mir?"
    Mir wurde ganz mulmig. Die wollte es aber wissen! Ihre Frage war zudem auch nicht von der Hand zu weisen. Denn seit dem Mord in dem Hotel hatten wir uns noch nicht einmal richtig waschen können. Mein Versteck war zwar sehr sicher, aber sehr sauber war es nicht. Und komfortabel schon mal gar nicht.
    "Ja, ein bisschen vielleicht. Aber ehrlich gesagt, ich fahr' überhaupt nicht besonders auf Frauen ab." Mit diesem Satz hatte ich mir Frauen bisher immer ziemlich vom Hals halten können. Aber Manu konnte ich damit nicht beeindrucken. Die wollte es eben wissen.
    "Du solltest diesbezüglich eine Entscheidung treffen. Eine klare Entscheidung. Dieses Rührmichnichtan-Spiel geht mir auf die Nerven. Es gibt mir das Gefühl, von einer ansteckenden Krankheit befallen zu sein. Außerdem nehme ich ganz Widersprüchliches wahr. Ich spüre deutlich, dass du mich willst. Und ich spüre deutlich, wie viel Angst du davor hast. Also entscheide dich. Ich habe bis jetzt ganz gut ohne dich gelebt. Und im Untertauchen bin ich vielleicht sogar noch besser als du. Außerdem habe ich Freunde, die mich beschützen würden. Und nebenbei gesagt, würden die keineswegs davor zurückzucken, mich zu berühren.
    Es war mir nicht angenehm, mich dazu äußern. Aber ich verstand schon, dass sie damit klarkommen wollte. "Es ist schon so wie du sagst. Einerseits will ich dich, andererseits... Ich durchschau das selbst nicht. Jedenfalls hat es nichts mit dir zu tun. Allein mit mir. Ich könnte mir sogar gut vorstellen, zärtlich mit dir zu sein. Aber gleichzeitig treibt mir diese Vorstellung den Schweiß auf die Stirne."
    Manu wirkte erleichtert. Endlich sprachen wir über diese seltsame Barriere zwischen uns, die ihr offenbar ganz ordentlich zu schaffen machte. "Du bist doch hellsichtig und was weiß ich alles. Lass deiner Phantasie doch einfach freien Lauf. Stell' dir doch vor, wir wären zärtlich miteinander. Was passiert denn dann?"
    Ich konnte es mir sehr gut vorstellen. Aber wie ein Floß, das eben noch träge auf dem breiten Strom dahin treibt, plötzlich wild zu schaukeln beginnt, wenn es die Stromschnellen erreicht, die den Wasserfall ankündigen, begann diese zärtliche Phantasie nur zu schnell in den Alptraum abzustürzen.
    Die körperliche Seite der Zärtlichkeit, das Ausziehen, das zunehmende Freilegen der Haut, sprang plötzlich in eine bedrückende Dimension hinüber, in einen anderen Raum. Da waren nicht mehr Manu und ich. Die trauliche Intimität der Zweisamkeit verlor sich. Da war ein großer Saal und in ihm ganz viele nackte Körper. Nichts sollte hier in Lust enden, mindestens nicht bei denen, die ihre Kleider verloren. Dies war ein Saal, in denen mit Menschen experimentiert wurde, randvoll gefüllt mit Qualen. Menschliches Fleisch wurde von kalten silbernen Instrumenten gespalten. Lange Nadeln drangen in zuckende Muskeln und in die vibrierenden Nerven zwischen den

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