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Mondgeschöpfe (Phobos)

Mondgeschöpfe (Phobos)

Titel: Mondgeschöpfe (Phobos) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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Wirbeln. Stromstöße wurden durch blanke Drahtenden gejagt und zwangen die schmerzgepeinigten Opfer zu einem nie ganz abreißenden wölfischen Geheul. Weiße Gesichter tanzten vor meinen Augen den rastlosen Totenreigen.
    Ich saß vor Manu wie versteinert. "Es geht nicht", sagte ich.
    Manu stand auf.
    "Vielleicht geht es eines Tages, wenn ich zu Ende gebracht habe, was ich mir vornahm", setzte ich hinzu.
    Zögernd blieb Manu stehen. "Es ändert sich doch nichts dadurch, dass du irgendeinen Boss erledigst", sagte sie. "Das ist doch nichts als diese paranoide Terroristenmentalität."
    Sie hatte recht. Wahrscheinlich konnte der Konzern meine Racheakte sogar politisch für sich ausnutzen. Dann wurde die staatliche Überwachungsschraube eben noch ein bisschen angezogen. Wem war damit gedient? "Ich kann diesen Carlton nicht leben lassen", stieß ich hervor.
    "Mir liegt es wirklich fern, dich um sein armseliges Leben zu bitten", sagte Manu. "Aber mir fällt doch auf, dass wir vom Thema Impotenz plötzlich in den Bereich politischer Gewaltakte geraten. Vom Nichtliebenkönnen zum Töten. Und das sollte dir doch zu denken geben. Das ist doch eher der Dreh derer, die dich zu dem gemacht haben, was du jetzt bist."
    "Ich möchte jedenfalls nicht, dass du jetzt gehst, weil ich diese verdammte Angst habe und sie im Augenblick nicht loswerden kann."
    "Du meinst, es könnte sein, dass du mich irgendwann einmal ertragen kannst?", fragte Manu voll triefender Ironie.
    Ich konnte ihr nur entgegenhalten: "Es könnte vielleicht sein, dass später einmal weniger schreckliche Erinnerungen in mir hochkommen, wenn ich zärtlich werden möchte."
    "So, es könnte vielleicht sein, meinst du", gab sie unerbittlich zurück.
    "Ich will, dass das mit mir und damit auch zwischen uns anders und besser wird", fuhr ich fort.
    In Manu arbeitete es, aber sie setzte sich wieder zu mir.
     
    ******
     
    Weitere drei Tage später stahl ich einen Wagen. Wir umfuhren die Stadt und näherten uns vorsichtig dem Forschungszentrum von E.G.C. Als Manu und ich auf dem Hügel nebeneinander lagen, ergoss sich die Wüste vor uns in flimmernde Fernen. Die weißen Gebäude, die bizarr schöne Wüstenlandschaft wirkten wie für eine Kitschpostkarte geschaffen. Es fehlte nur noch ein Kamel. Der verzinkte Maschendraht, der die Gebäude des Zentrums von der Umwelt hermetisch abschloss, glänzte im Morgenlicht. Die Gebäude sahen aus der Ferne aus wie von Kinderhand gebaut, irgendwie harmlos.
    Aber dann schoben sich über diese freundlich idyllischen Bilder groteske Szenen. Ich konnte nicht genau unterscheiden, ob sie aus meiner Erinnerung stammten oder ob sie Gesichter aus dem jetzigen Zentrum darstellten. Ich sah Wesen schreien, die nur noch entfernt an Vertreter der menschlichen Gattung erinnerten. Humanoide werden sie in Science-Fiction-Romanen genannt, weil der Hauptteil ihrer Gene menschlich ist. In der entmenschlichten Sprache von E.G.C. hießen sie Manips. Ob sie schrien, schlichen, lethargisch herumdösten, eines war ihnen allen gemeinsam: Sie waren eingesperrt.
    "Und wo sollen sie leben, wenn sie frei sind?", hörte ich Manu ganz von Ferne fragen.
    "Das ist eine gute Frage", gab ich zurück, "die sich bis jetzt noch niemandem stellte, weil die Manips ja gar nicht leben sollten."
    "Das ist keine Antwort", fuhr mich Manu unbeherrscht an.
    "Natürlich nicht." Mein Ton geriet etwas scharf. Ihre Tonart war nicht das, was ich jetzt gebrauchen konnte. "Das ist ja der Trick jener Herren über Leben und Tod: Probleme zu schaffen, auf die kein Mensch eine Antwort weiß."
    "Schon gut, war nicht so gemeint", beruhigte sie mich. "Aber im Ernst, denken wir es doch einmal durch. Stellen wir uns den Fall vor, dass es uns gelänge, eine große Zahl von ihnen zu befreien. So wie du sagst, dass sie aussehen, wäre eine Manip-Demo in die Innenstadt sehr geeignet, eine Massenpanik auszulösen."
    "So geht es eben nicht. Ich dachte an eine Art Reservat, einen Park, der mit menschenwürdigen Behausungen ausgestattet ist. Ich dachte an einen Ort, wo sie unterschlüpfen können, vorerst. Bis sich eine menschliche Schutzgemeinschaft gebildet hat. Es wird doch noch Menschen geben unter den Menschen."
    Das Dumme war, das wir niemanden über unseren großen Coup informieren konnten. Denn dann würde er bestimmt verhindert und E.G.C. gewarnt werden. Sie würden nicht zögern, alle Spuren zu verwischen, was hieß, dass sie die Manips beseitigten. Es ging nur über den Weg des Erstschlages. Ich

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