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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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unter Kontrolle glaubt, ist er dort so sicher wie nirgendwo sonst. Der Hof liebt ihn, das habe ich bei meinen Besuchen in Buda gesehen. Er spricht ihre Sprache, verfügt über ihre Bildung, und trotz seines Vaters behandelt ihn der Adel als seinesgleichen.« Er lächelte, doch Gábor las den lange unterdrückten Schmerz in seinen Augen. Er, der fähigste Feldherr Europas, der die Türken zurückgedrängt und dem der Papst Audienzen gewährt hatte, wurde vom ungarischen Hochadel immer noch als Bauernsohn betrachtet.
    »Laszlo ist mir ähnlicher als Mathias«, fuhr Hunyadi fort. »Achtet darauf, dass ihm sein Jähzorn nicht zur Falle wird. Er soll Belgrad erben, wenn Cilli es zulässt, und sich beim Schutz der Ostgrenzen bewähren. Denn bald«, seine Augen wurden hell vor Zorn, »bald werden die Türken wiederkommen. Und kaum einer in Buda wird begreifen, wie knapp wir ihnen dieses Mal entkommen sind.«
    »Unter Ladislaus wird Ungarn wohl früher oder später als türkischer Vasallenstaat enden«, sagte Michael düster.
    »Ist das die Sicht eures Wolfsbunds?« Fragend blickte Hunyadi Gábor an.
    Der erkannte, dass sich hinter dieser Frage noch mehr verbarg. Er wählte seine Worte genau. »Wir schenken König Ladislaus kein Vertrauen«, sagte er. »Er wird niemals ein König der Werwölfe sein.«
    »Dann bringt einen meiner Söhne auf den Thron!«, rief Hunyadi. Er hustete, doch seine Augen blitzten mit neuer Kraft. »Ihr wisst, dass sie fähig wären, das Land zu schützen, dass sie euch vertrauen und auf eure Ratschläge hören. Mit ihnen hätte Ungarn eine Zukunft!«
    Gábor runzelte die Stirn. »Das widerspricht den Gesetzen unseres Bundes.«
    »Unsinn«, fuhr Michael dazwischen. Seine Augen funkelten. »Mein Neffe Laszlo wäre der Richtige, das wissen wir beide. Johann, ich verspreche Euch, dass ich mich für ihn einsetzen werde.«
    Gábor verengte die Augen. Laszlo war seinem Onkel treu ergeben, und dies beeinflusste offenkundig Michaels Meinung. Doch am Bett eines Kranken gedachte er nicht zu streiten.
    Plötzlich legte ihm der Graf eine Hand auf den Arm. Kalt war sie, und so leicht wie eine Feder. »Ich denke dabei auch an die Prophezeiung, von der Ihr mir erzählt habt«, sagte er leise. »Euer Mündel Veronika, sie ist doch diejenige, um die es dabei geht, nicht wahr?«
    Gábor erstarrte.
    Der Graf rezitierte aus dem Gedächtnis die Prophezeiung, in die Gábor ihn vor vielen Jahren eingeweiht hatte: »›Die Jungfrau wird von hoher Geburt sein. Am roten Mal werdet Ihr sie erkennen. Ihr Wesen wird von zweigestaltigem Blut sein, mit einem Willen, der selbst den Ältesten widersteht.‹«
    Die Zeit schien stillzustehen, während er die uralten Worte der heiligen Agnes flüsterte. Gábor widerstand dem trotzigen Impuls seines Wolfs, sich die Ohren zuzuhalten. Er wollte die folgenden Worte nicht hören, die Worte, die Veronikas Schicksal beschlossen und ihm jede Hoffnung raubten, sie jemals sein nennen zu können.
    Doch unerbittlich wisperte der Todgeweihte weiter: »›Nur königliches Blut darf ihren unberührten Leib besäen‹«, sagte er. »›Dann wird sie ein Kind mit zwei Seelen gebären, ein Kind, das allein die Welt aus der Verdammnis retten kann.‹«
    Gábor merkte, dass er die Luft angehalten hatte. Die Worte hatten seinen Magen wie Faustschläge getroffen, obwohl er sie seit mehr als einem Jahrzehnt auswendig kannte. Veronikas Schicksal war es, dieses Kind zu gebären, und deshalb war sie als Jungfrau für einen König bestimmt, nicht für einen Bastard wie ihn.
    »Denkt an das Mädchen, Gábor«, sagte der Graf, und seine Augen waren so klar, als wüsste er, was in Gábor vorging. »Laszlo oder Mathias würden sie ehren als kostbares Weib, das von Gott selbst auserwählt wurde. Wenn der Herr es will, könnte ihr gemeinsamer Sohn in vielen Jahren ein König werden, wie ihn die Menschheit seit Christus nicht gesehen hat. Denkt daran, wenn Ihr Eure Entscheidung trefft.«
    Gábor senkte den Blick. »Ich habe sie bereits getroffen«, sagte er, und es war, als rissen ihm diese Worte das Herz heraus. Er verstieß damit gegen das, was er glaubte. Der Bund durfte, musste den Mächtigen der christlichen Lande zum Wohle aller dienen, doch wenn sie einen eigenen König auf den Thron brachten – egal ob er ein Mensch oder ein Werwolf war –, dann überschritten sie damit eine Grenze, die das Wesen ihres Bundes ausmachte.
    Doch hatte er eine andere Wahl? Wenn es um Veronika ging?
    »Ich werde Eure Söhne

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