Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
Vom Netzwerk:
nicht ausdrücklich verboten zu kommen.
    Gábor setzte seinen unruhigen Marsch durchs Zimmer fort. Würde Viktor wirklich Veronikas Leben riskieren, das Leben der Auserwählten, auf die er so lange gewartet hatte? Und konnte er selbst hier in Prag alles stehen und liegen lassen und zum Sfântul Munte reiten, wenn er nicht einmal wusste, ob er etwas ausrichten konnte?
Ja,
knurrte sein Wolf und drängte nach vorne.
Wir müssen sie retten!
    Auch Mathias, sein neuer Dienstherr, würde dafür Verständnis haben. Immer noch verharrte der Junge als Gefangener des kränklichen Königs in Prag, immer noch warteten sie alle auf die königliche Braut, deren Ankunft sich ständig zu verzögern schien. Doch der Gedanke fiel ihm schwer, Mathias in den Händen von Michael und Pavel zurückzulassen. Sie heckten etwas aus, das wusste er, und er traute ihnen nicht. Was war, wenn Mathias in Gábors Abwesenheit in Gefahr geriet? Schon einmal hatte er einen jungen Hunyadi ins Unglück rennen lassen, hatte ihn nicht vor den Intrigen des Königs beschützen können. Gábors Gedanken überschlugen sich, während sein Herz und sein Verstand miteinander kämpften.
    Nein, er musste zu Veronika reiten.
    Er atmete tief ein, und die Luft strömte wohltuend durch seine Brust, als er diesen Entschluss traf. Selbst wenn sie ihn nicht sehen wollte, selbst wenn er zu spät kam, niemals würde er sich verzeihen können, wenn er sie verlor, ohne etwas unternommen zu haben. Auf einmal fühlte er sich leichter. Er würde Miklos Bescheid geben, und wenn sie nur das Nötigste mitnahmen, konnten sie morgen früh bereits losreiten.
    Er setzte sich an seinen Schreibtisch und begann, einen Brief an Pavel zu verfassen, in dem er ihn über seinen Aufbruch informierte. Gerade brachte er auch eine Nachricht für Mathias zu Ende, als Rufe auf dem Hof ihn aufschreckten.
    Sein Herz gefror.
    Und noch ehe er sich erhob, noch ehe Miklos in sein Zimmer stürmte, erkannte er schon, dass sein Plan zunichtegemacht worden war.
     
    Still und leer lagen die nächtlichen Gassen da, als Gábor und Miklos in Prag einritten. Kein Bewohner ahnte bisher, welche Nachricht den Hradschin heute Abend erschüttert hatte. Gábor ballte die Hände fest um die Zügel, als die Pferde den Hügel zur Königsburg erklommen. Sie kamen nicht vom Fleck, schien es ihm, und dabei konnte jede Minute entscheidend sein.
    Der König war tot. Es war Mathias’ Bote, der die Nachricht überbracht hatte und der damit Gábors Entscheidung, Böhmen zu verlassen, untragbar gemacht hatte. Am Burgtor sprang er vom Pferd und drückte ohne viel Federlesens einem der Wachen die Zügel in die Hand. Mathias’ Wappen verschaffte ihm Einlass. Miklos folgte ihm schweigend.
    Wie Gewitterwolken ballten sich die Gedanken hinter Gábors Stirn. Mathias hatte von einer Krankheit gesprochen, die den König seit Wochen geplagt hatte. War sie die Todesursache? Er hoffte es. Es durfte nichts anderes sein!
    Auf den Gängen huschten Bedienstete zwischen Ärzten, Soldaten und Adligen hindurch, und wo er hinschaute, sah er überraschte und besorgte Gesichter. Kaum Trauer, doch das wunderte ihn nicht.
    Er traf Mathias Hunyadi in seiner Kammer, zwei Wachen standen vor seiner Tür. Der Junge saß am dunklen Fenster, Müdigkeit umschattete seine Augen. Wenn er von Gábors raschem Eintreffen überrascht war, so zeigte er es nicht. »Bringt mich zur Leiche«, sagte Gábor.
    Mathias runzelte die Stirn. »Sie haben den König bereits ins Franziskanerkloster am Fuße des Hügels gebracht«, sagte er. »Dort wird sein Leichnam für die Aufbahrung vorbereitet.«
    Gábor knirschte mit den Zähnen. »Dann bringt mich in den Raum, in dem er gestorben ist.«
    Mathias fuhr auf, doch Gábors finstere Miene zeigte ihm wohl, dass Fragen im Augenblick nicht angebracht waren. »Kommt mit.«
    Eine der Wachen folgte ihnen, und Gábor musste sich beherrschen, den tumben Gesichtsausdruck des Mannes nicht mit der Faust zu vertreiben. Mathias war der Gefangene eines toten Mannes, seine Bewachung hatte jeden Sinn verloren. Außer, sie verdächtigten ihn, den König umgebracht zu haben. Er rückte dichter zu dem Jungen auf. Wenn dies tatsächlich jemand glaubte, dann war Mathias’ Leben nicht mehr sicher.
    Mit wenigen Worten verschaffte der junge Graf Hunyadi ihnen Zutritt zum königlichen Schlafgemach. Respektvoll lächelnd grüßten ihn die drei Würdenträger, die hier noch versammelt waren. Wie so viele andere aus der königlichen Gefolgschaft schienen

Weitere Kostenlose Bücher