Mondherz
Stolpern. Im nächsten Augenblick fasste ein anderer Mann sie um die Hüfte. Sie schrie auf und fuhr ihm mit den Fingernägeln durchs Gesicht. Sie roch sein Blut, und als er vor Schmerz brüllte, steigerte das ihre Angst und Wut zur Raserei. Sie trat mit den Beinen um sich. Einer ihrer nackten Füße knallte gegen den Türrahmen, an dem scharfkantigen Holz riss sie sich die Haut auf. Sie spürte den Schmerz nicht. Keuchend und knurrend warf sie sich im Gefängnis der Arme herum.
Blut,
heulte die Wölfin. Heller Pelz spross aus ihren Armen, bedeckte rasch ihren ganzen Körper. Plötzlich packte jemand ihr Haar und riss ihren Kopf zurück.
»Genug, Wildfang.« Michaels Gesicht war ganz nah vor ihr. Sie schnappte nach ihm und jaulte dann vor Schmerz auf, als er brutal ihren Kiefer packte. Seine Augen waren immer noch dunkel. »Das wollte ich eigentlich vermeiden«, knurrte er.
Doch sie wusste, dass das nicht stimmte. Sie roch seine Erregung, als er auf ihren Mund starrte, auf ihre Brust, die sich unter ihrem raschen Atem hob und senkte. Jetzt roch sie auch die Gier der anderen Männer. Überall waren ihre Hände an ihr, ihre Hitze, ihr Schweiß. Ihr Herz raste vor Angst, und sie wusste, sie konnten es hören. Sie strampelte verzweifelt, doch sie spürte, wie ihre Gegenwehr die Wolfstriebe der Männer nur noch verstärkte. Gegen jeden Instinkt zwang sie ihren Körper dazu, zu erschlaffen.
»Lasst. Mich. Gehen«, stieß sie zwischen den Zähnen hervor.
»Tut mir leid.« In Michaels Augen tanzten helle Flecken. Er hielt immer noch ihr Gesicht fest, schob sich näher an sie heran. Er fletschte die Zähne, und für einen Moment glaubte sie, er wolle sie beißen. Stattdessen verharrte er, ließ seinen heißen Atem über ihr Gesicht streifen.
»Schade«, murmelte er und strich mit dem Daumen grob über ihre Lippen. »Ich sollte dich erst einmal aufsparen.« Er wandte sich abrupt ab, und Veronika konnte ein erleichtertes Japsen nicht unterdrücken. Seine Männer stießen ein enttäuschtes Winseln aus, bevor auch sie wie durch ein unsichtbares Kommando ein Stück zurückwichen. Plötzlich ohne Halt, brach Veronika in die Knie.
»Ihr bringt sie nach oben«, befahl Michael den beiden fremden Werwölfen. »Ins zweite Turmzimmer. Hinter den doppelten Wänden wird sie keiner hören.«
»Was habt Ihr vor?«, rief sie. »Und wer sind die?« Voller Hass starrte sie die beiden Walachen an, als sie mit groben Händen nach ihr griffen. In ihren tumben Gesichtern stand immer noch Gier, doch mehr noch der Eifer, Michael zu gehorchen. Ihr Körper versteifte sich unter den Händen der Männer, erneut fletschte sie die Zähne.
Erst glaubte sie nicht, dass er ihr antworten würde, doch dann ließ er sich doch dazu herab. »Zwei von Drăculeas Leibwachen.« Als er sie ansah, waren seine Augen wieder menschlich, leblos und blau. »Es gehört zu unserem Abkommen, dass ich sie gebissen habe. Jetzt dienen sie uns beiden.«
»Abkommen.« Sie sprach das Wort voller Abscheu. »Was ist nur in dich gefahren, Mathias so zu verraten?«
Er musterte sie, und in seinem Blick lag nicht das geringste bisschen Wärme. »Ich habe mich von Anfang an für Mathias eingesetzt. Nur dank mir ist er überhaupt König geworden.« Sein Mund war ein harter, dünner Strich. »Und wie dankt er es mir, seinem eigenen Onkel? Er lässt sich von Gábor gegen mich aufhetzen. Bevor er mir alle Macht entzieht, musste ich mich anderweitig absichern.«
»Absichern?«, rief sie. »Ist dir denn nichts heilig? Drăculea hat deinen Ältesten getötet, und er ist mit den Türken im Bunde.«
»Die Türken, die Türken.« Er verengte die Augen. »Aus dir spricht nur Gábors Erziehung, Kleine. Kriege wird es immer geben. Wer schlau ist, verwettet nicht sein Leben auf die eine oder die andere Seite. Und Viktor hat dieses Leben schon vor langer Zeit verlassen, als er beschlossen hat, sich wie ein geprügelter Hund zu verstecken. Ich bin ein Wolf.« Er hob seine Stimme. »Gábor und Viktor haben niemals verstanden, was das bedeutet. Drăculea schon. Und es gibt andere Wölfe dort draußen, wusstest du das?« Er blitzte sie an. »Wölfe, die sich einen Dreck um den Wolfsbund scheren. Der Bund, pah!« Er spuckte aus. »Wenn der bedeutet, dass ich den Rücken weiter vor undankbarem Menschenpack krümmen muss, dann pfeife ich darauf. Und jetzt schafft sie aus meinen Augen, ehe ich mich doch noch vergesse.«
In den Karpaten, Juli 1458
»Wird er durchhalten?«, fragte Miklos
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