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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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schüttelte den Kopf. Der Türke spielte doch nur den harmlosen Bauernburschen.
    »Miklos.« Arpad räusperte sich. »Hast du was zu essen für mich?«
    Der Junge nickte und reichte ihm rasch einige Streifen Trockenfleisch. Arpad seufzte behaglich, als er seine Zähne darin versenkte.
    »Erzähl es mir«, forderte Gábor ihn auf, als er den ersten Bissen runtergeschluckt hatte. Er wollte nicht mehr länger warten. »Wer will mich umbringen?«
    Arpad musterte ihn. In seinen hellbraunen Augen spiegelte sich das Feuer. Gábor wusste nicht, was er darin las. Es war kein Hass, keine Angst, so viel stand fest. War es – Mitgefühl?
    »Ich fang lieber am Anfang an.« Arpad leckte sich einige Fasern Fleisch von den rissigen Lippen und nahm noch einen Bissen, bevor er zu erzählen begann. »Damals, als du fortgelaufen bist, hab ich dich nicht verpfiffen. Zwei Stunden hat es gedauert, bis sie bemerkt haben, dass du weg warst. Allah weiß, unser Ausbilder war stinksauer. Aber keiner hat dich wiedergesehen, und so dachte er, dass du tot bist. Nachdem wir Semendria geplündert haben, ließ mich plötzlich einer der Yayabaşı von seiner Leibwache abholen. Sie brachten mich ins Heerlager, in eines der prächtigsten Zelte. Dort wartete der Yayabaşı mit einem Wesir, einem alten Mann mit kalten Augen. Sein Blick war so finster, dass ich mir fast in meine Pluderhosen gemacht hätte. Der Wesir fragte mich, ob ich sicher bin, dass du es warst, der abgehauen ist. Er nannte deinen Namen und beschrieb, wie du aussahst. Es kam mir so vor, als ob er alles über dich wüsste. Als ich ihn fragte, warum er das wissen wollte, gab er mir eine Ohrfeige.« Er knurrte, und Gábor fragte sich, ob Arpad bemerkte, welch wölfisches Geräusch das war. »Ich sagte ihm, was er hören wollte, und dann jagte er mich hinaus. Allerdings«, Arpads Augen blitzten auf, »hab ich mich an den Wachen vorbeigedrückt und bin an der Rückseite wieder unters Zelt geschlüpft. Ich wollte doch hören, worum es bei der Geschichte wirklich ging.«
    Gábor verschränkte die Arme. »Was hast du gehört?«, fragte er barsch, als der Türke nicht sofort weiterredete.
    Arpad schnaubte, verkniff sich davon abgesehen aber jeden weiteren Kommentar. »Der Yayabaşı und der Wesir sprachen über dich. Und über deinen Vater. Ich dachte, ich spinne.« Er hob den Blick und sah Gábor direkt in die Augen. »Vielleicht glaubst du es mir nicht, aber dein Vater war der damalige Sultan Murad  II ., Murad der Große.«
    Die Zeit schien stillzustehen. Nur das Feuer knackte, sprühte Funken in einem plötzlichen Windstoß, als wollte es über ihn lachen. Warum warnte ihn sein Instinkt nicht vor einer Lüge? Doch in Arpads offenem Blick hatte nicht die geringste Täuschung gelegen. Gábor wurde schwindelig, als hätte die Welt plötzlich ihren Halt verloren. Es konnte doch nicht wahr sein. Aber irgendetwas in ihm, vielleicht sein Wolf, schien dem Türken tatsächlich zu glauben. »Erklär es mir«, forderte er tonlos.
    »Es hat Jahre gedauert, bis ich alle Details zusammenhatte, aber es hat sich wohl so zugetragen«, begann Arpad. »Murad war damals noch jung, als er dich zeugte. Zwar war er schon Sultan, doch in Kämpfe mit seinem Bruder verstrickt, der ihn nicht anerkennen wollte. Es gab einen Feldzug Richtung Ungarn, eine kleinere Sache, mit der er seinen Mut beweisen wollte. Ein Janitscharenführer plünderte unterwegs ein Dorf und raubte ein Mädchen namens Rósza, die wohl wirklich wie eine Rose unter den Bauernweibern blühte.«
    Gábor biss sich so fest auf die Lippen, dass ihn der Schmerz wie ein Blitz durchzuckte. Rósza, das war der Name seiner Mutter gewesen, obwohl die Nachbarn sie meist nur abfällig
Tüske
genannt hatten, Dorn einer Rose.
    »Im Heerlager sah Murad sie«, fuhr Arpad unterdessen fort. »Sie war nur eine Sklavin, doch sie erregte seine Aufmerksamkeit. Er kriegte natürlich, was er wollte, und ob es ihr gefiel oder nicht, ein paar Wochen lang durfte sie unter ihm liegen. Irgendwann fand er eine neue Rose, doch da hatte er ihr schon seinen Samen eingepflanzt. Du weißt, dass jedem Herzchen des Sultans die Kinder weggenommen werden. Ob Prinzessin oder Prinz, sie müssen alle im Harem des Sultans in Bursa aufwachsen.« Er grinste. »Anscheinend wollte Rósza dich aber behalten, und deshalb haute sie ab. Nur fiel ihr nichts Besseres ein, als in ihr Heimatdorf zurückzukehren. Sie verschwieg dort die Wahrheit, wahrscheinlich um dich zu schützen.«
    Gábor blickte

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