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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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zur Seite, in die Dunkelheit jenseits des Feuers. Er sah dort das Gesicht seiner Mutter, ihren sanften Blick, wenn sie ihm übers Haar strich. All das Leid, das sie ertragen musste, hatte es nicht vermocht, ihre Liebe zu ihm zu schmälern.
    »Für die Männer des Sultans war’s nicht schwer, sie zu finden«, fuhr Arpad fort. »Aber sie hielten sich versteckt, sonst wäre sie wohl erneut geflohen. Murad hatte beschlossen, dich in dem Dorf zu lassen, wo er dich in Sicherheit wähnte, solange er sich mit seinem Bruder stritt. Zwei Kinder von ihm waren nämlich bereits gestorben, man munkelte, an Gift. Nur wollte er auch nicht, dass du ein dummer christlicher Bauernjunge bleibst. Deshalb schickte er einen seiner Yayabaşı. Der sollte dich entführen und erst mal zum Janitschar machen. Dann starb Murads Bruder. Nach der Schlacht von Semendria wollte Murad dich zu seinen anderen beiden Söhnen an den Hof holen. Aber in Semendria bist du verschwunden …«, Arpad blies mit theatralischer Geste in die Hände, »wie ein Sandkorn im Wind. Tja, die ganze Zeit hast du gegen deine Familie gekämpft, erst gegen deinen Vater, und als der starb, gegen deinen jüngeren Halbbruder Mehmet.« Arpad zuckte mit den Schultern und biss dann wieder kräftig in das Trockenfleisch.
    »Nenn sie nicht meine Familie«, presste Gábor zwischen den Zähnen hervor. Am liebsten wäre er aufgesprungen und hätte Arpad ins Gesicht geschlagen, doch er bezweifelte, dass seine Knie ihn tragen würden.
    »Und das Mordkomplott?«, fragte Miklos. Seine Stimme hörte sich zittrig an, er schien fast ebenso aufgewühlt wie Gábor zu sein.
    »Ach das.« Arpad zögerte. Er sah einen Moment unsicher zur Seite, bevor er die Schultern straffte und Gábor wieder direkt in die Augen blickte. »Ich hab dich in Belgrad wiedererkannt, das weißt du. Du wolltest mich umbringen. Nach meiner Flucht bin ich zum alten Yayabaşı, der damals mit dem Wesir gesprochen hatte, und hab ihm von dir erzählt. Er gab mir guten Lohn dafür, denn er ist inzwischen selbst zum Wesir aufgestiegen. Er hat den Sultan informiert. Sultan Mehmet ist ein hitziger junger Mann mit einem Hang zu Verschwörungstheorien. Er ist es, der dahintersteckt.« Arpad atmete tief durch.
    Gábor starrte ihn an, ohne ihn zu sehen. Der Sultan also. Sein … Bruder. Warum nicht gleich der Papst oder der deutsche Kaiser? Er spürte den irrwitzigen Drang zu lachen. Er hatte für dieses Wissen Pavels tödlichen Zorn riskiert. Aber ein mächtiger Feind mehr oder weniger, das spielte kaum mehr eine Rolle. Jetzt konnte er sich aussuchen, ob er es lieber mit dem ganzen türkischen Heer oder einem Ältesten und dessen Rudel aufnehmen wollte. Es machte nicht viel Unterschied.
    »Solange du lebst, wird Mehmet wenig Ruhe haben«, fuhr Arpad fort. »Schließlich bist du der älteste männliche Nachkomme seines Vaters. Obwohl wahrscheinlich kein Türke einen Christ und Janitscharentöter wie dich als Sultan akzeptieren würde. Mehmets Spione meldeten, dass du dich nach Hunyadis Tod seinem Sohn Laszlo angeschlossen hattest. Doch dann wurde Laszlo von eurem König hingerichtet. Und du warst erneut verschwunden.« Arpad schnaubte. »Mehmet tobte vor Wut. Dann fiel ihm sein neuer Bündnispartner ein. Drăculea. Der hatte mehr Möglichkeiten, dich aufzuspüren. Ich wurde zu ihm geschickt und sollte seine Aktionen überwachen, als Mann des Sultans am walachischen Hof. Drăculea fiel fast aus seinen Holzschuhen, als er deinen Namen hörte. Er wusste, wer du warst, redete was von Werwölfen und seinem Erzfeind Viktor. Er bat mich, erst mal diesen Viktor zu töten. Ich stimmte zu. Auch wenn ich den Grafen für verrückt hielt, war ich doch neugierig. Nach Viktors Tod wusste ich Bescheid. Drăculea hatte recht gehabt. Und ich …« Er zögerte einen Moment. »Ich hatte langsam genug von überheblichen Sultanen und Grafen. Ich überlegte, dich auf eigene Faust zu suchen, doch dann kamen die Ungarn. Ihr Heer war zu groß und zu stark für Drăculea. Ich bin mit meinen Männern vorher abgehauen, schließlich hatte ich sicher nicht vor, mich für den Walachen zu opfern. Ich dachte eh nur noch an die Werwölfe, die ich gesehen hatte. Und an …« Er keuchte auf.
    Gábor runzelte die Stirn, dann wurde ihm klar, was Arpad abgelenkt hatte. Er sah nach oben. Die Wolken hatten sich verzogen, und das Licht des Mondes tauchte das Gebirge in ein fahles Grau. Noch war der Mond hinter den Felsen verborgen, doch Arpad spürte bereits seine

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