Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
Vom Netzwerk:
leise.
    Arpad wirkte selbst im rötlichen Schein des Lagerfeuers leichenbleich. Er warf sich unruhig hin und her, und unter den geschlossenen Lidern zuckten seine Augen. Die Hitze seines Fiebers drang bis zu Gábor herüber.
    Gábor runzelte die Stirn, dann nickte er. »Er hält sich sogar besser, als ich gedacht habe.«
    Seit drei Tagen waren sie nun unterwegs, und Arpads Zustand hatte sich stetig verschlechtert. Sie waren Tag und Nacht geritten, und Gábor und Miklos hatten den Türken abwechselnd vor sich auf ihre Pferde gesetzt, während er zwischen Bewusstlosigkeit und fiebrigen Dämmerzuständen schwankte. Doch Gábor wusste, dass das Fieber zuerst tagelang anstieg, um dann plötzlich abzuklingen, und die Wunden, die ihm Pavel zugefügt hatte, waren fast verheilt. Arpads Körper verströmte inzwischen sogar schon das dunkle Aroma eines Wolfs. Bald würde er aufwachen.
    Und dann würde Gábor wissen, wie groß der Fehler gewesen war, ihn zu beißen.
    Er seufzte und legte sich auf seine Decke. Dunkle Wolken verdeckten über ihnen den Nachthimmel. Er starrte in die zuckenden Flammen des Feuers, auf die Schatten, die dahinter über die Felsen geisterten. Pavels Männer folgten ihnen sicherlich, doch ihr Lagerplatz war auf allen Seiten von Felsen umstanden, so dass der Lichtschein ihres Feuers nicht hinausdrang. Nur brauchten Pavels Werwölfe kein Licht, um sie zu finden. Wie lange hatten sie wohl noch, bis sie eingeholt wurden? Er dachte an Marko. Er hatte ihn gestern fortgeschickt, in der Hoffnung, dass ihm alleine niemand folgen würde.
    Der Roma hatte Einfallsreichtum bewiesen, als er die schnellsten Pferde gestohlen und alle anderen durch die Pforte in den Sumpf gejagt hatte. Bestimmt hatte er damit ihren Vorsprung um einige Stunden vergrößert. Doch wenn es zu einem Kampf mit den Werwölfen kam, hatte der Roma neben Arpad die geringsten Aussichten zu überleben. Genau genommen war es unwahrscheinlich, dass überhaupt einer von ihnen einen Kampf mit Pavels Rudel überstand, und so war es am besten gewesen, ihn wegzuschicken.
    Gábor schloss die Augen. Dies alles wegen eines verlogenen Türken, der ihm in seiner Erinnerung viel eindrucksvoller erschienen war als in Wirklichkeit. In den letzten Tagen war ihm klargeworden, dass sein Hass auf Arpad vor allem auf Angst beruht hatte. Er hatte den Mann gefürchtet, der das darstellte, was aus Gábor hätte werden können. Sein dunkles Spiegelbild. Er atmete tief ein, roch den dunklen Duft seines eigenen Wolfs. Er erschien ihm fremd.
    Finde heraus, wer du bist,
hatte Veronika zu ihm gesagt. Doch die Reise nach Isaccea hatte genau das Gegenteil bewirkt. Er wusste kaum noch, wer er war. Nie hätte er gedacht, dass er dazu imstande war, in einem Moment der höchsten Spannung und Frustration all das beiseitezustoßen, woran er glaubte. Doch er hatte es getan. Er hatte Miklos’ Urteil vertraut und den Türken gebissen.
    »Gábor.« Miklos’ Stimme unterbrach seine Gedanken. »Er wacht auf.«
    Er richtete sich auf und sah hinüber. Tatsächlich, Arpads Augenlider flatterten. »Su«, krächzte er. »Su.«
    Gábor starrte Arpad an, sein rotes, verfilztes Haar, den verschleierten Blick.
    »Gábor?«, drang Miklos’ Stimme fragend an sein Ohr.
    Er schüttelte den Kopf und antwortete: »Wasser. Er will etwas trinken.«
    Miklos sprang auf, um einen Lederschlauch mit Wasser zu holen und ihn dann an Arpads Mund zu halten. Gierig schluckte der Türke, leckte sich über die aufgerissenen Lippen. Endlich klärte sich sein Blick.
    »Sein Fieber ist zurückgegangen«, rief Miklos ungläubig. Und auch Gábor spürte es: Die Hitze, die von Arpad ausging, war wesentlich geringer geworden.
    »Du!« Arpad blinzelte Gábor verwundert an. Er klang heiser. »Du hast mich tatsächlich gebissen.«
    Gábor nickte kühl. »Wir haben eine Vereinbarung.«
    Wenn Arpad ihm alles erzählt hatte, konnte er immer noch entscheiden, ob er ihn am Leben lassen wollte.
    Arpad schien ihn nicht gehört zu haben. Mit aufgerissenen Augen starrte er in die Dunkelheit außerhalb des Feuers, auf die kargen Felsen, die sich um sie erhoben. »Verdamm’ mich, ich seh jeden einzelnen Stein.« Er fuhr sich über die Augen. »Jede Ritze. Und da …« Er beugte den Kopf. »Ein Karnickel dort draußen, das riecht wie Fastenbrechen nach
Ramadān.
«
    Er wurde still und schaute weiter um sich, mit großen Augen und halboffenem Mund. Er schien die ganzen Eindrücke erst verdauen zu müssen.
    Miklos grinste, doch Gábor

Weitere Kostenlose Bücher