Mondherz
Körper schien federleicht zu sein.
»Veronika.« Er beugte sich über sie, vergrub sein Gesicht in dem weichen Fell. Schwach hob sie die Schnauze, um ihm über die Hand zu lecken. Als hätte sie das ihre letzte Kraft gekostet, erschlafften ihre Glieder.
Arpad neben ihm schnaufte laut. Gábor kümmerte es nicht. Er hörte nur den Atem seiner Gefährtin, ihren Herzschlag. Zu seiner Erleichterung ging er langsam und gleichmäßig. »Komm zurück zu mir«, flüsterte er. »Komm. Du hast nichts mehr zu befürchten.«
Langsam, ohne Kampf und ohne Bewusstsein, fand ihr Körper in seine menschliche Gestalt zurück. Er beugte sich immer noch schützend über sie, als Miklos zu ihnen heraufstieg. Sein Gesicht war blass, doch er lächelte, als er Veronika sah.
»Da ist sie ja«, flüsterte er.
Gábor drehte sich zu ihm herum, ohne Veronika loszulassen.
»Schafft Michaels Leichnam von der Straße«, sagte er. Unwillkürlich sprach er ebenfalls leise. »Und wartet auf Bodo und Lajos. Nehmt sie gefangen, sobald sie zurückkommen. Ich kümmere mich später um sie.« Er strich Veronika eine verschwitzte Haarsträhne aus der Stirn, da merkte er, dass Arpad sie anstarrte. »Geht jetzt«, befahl er.
Miklos nickte, und als Arpad nicht gleich reagierte, erhob sich Gábor, packte ihn und schob ihn gewaltsam die Luke hinab.
Gábor trug Veronika die Stiege hinunter und stieß mit dem Fuß die Tür zum Gang und zu ihrem ehemaligen Gemach auf. Sorgfältig bettete er sie auf das Lager. Dunkle Ringe umschatteten ihre geschlossenen Augen. Mitfühlend strich er über die Blutergüsse an ihren Schultern und Hüften, die sie sich bei den Stößen gegen die Mauer selbst zugefügt hatte, dann deckte er sie sorgfältig zu. Seine Finger zitterten dabei. Sie war so zerbrechlich. Als er ihr über die Wange streichelte, warf sie den Kopf hin und her. Er knirschte mit den Zähnen. Tagelang im Stockdunkel eingeschlossen zu sein, das tat man nicht einmal seinen schlimmsten Feinden an!
Zwei Mägde klopften an der Tür und traten leise ein, brachten auf Miklos’ Geheiß brennende Kerzen in Silberschalen. Er befahl ihnen, ein heißes Bad herzurichten. Er saß an Veronikas Seite, während Knechte einen Holzbottich aus der Küche hereinschleppten. Die Frauen füllten ihn mit heißem Wasser und Badeöl, dann verließen sie das Zimmer so still wieder, wie sie gekommen waren. Während Gábor ein Dutzend weiterer Kerzen entzündete, um die Nacht zu vertreiben, spürte er an der Veränderung von Veronikas Atemzügen, dass sie erwachte. Sofort war er bei ihr. »Ruhig.« Er strich ihr übers Haar. »Ich bin da.«
»Gábor«, flüsterte sie und schlang ihre Arme um seinen Nacken. Ihre Augen waren verschleiert, sie konnte sie kaum offen halten. »Das muss ein Traum sein.«
Er lachte leise, hob sie hoch und ließ sie in das warme Wasser des Bottichs gleiten. Seufzend lehnte sie sich zurück. Immer noch war sie schwach, doch während er ihre verfilzten Locken sorgfältig entwirrte und wusch, schienen ihre Lebensgeister zurückzukehren.
Sie drehte den Kopf zur Seite und sah ihn an. »Michael ist tot, nicht wahr?«, murmelte sie. Traurig nickte sie, als sie seine zerknirschte Miene sah. »Ich spürte es«, sagte sie nachdenklich, »dort im Dunkeln. Trotz allem gehörte er zum Rudel.«
Gábor hatten solche Bande mit Michael schon lange nicht mehr verbunden, doch trotzdem fühlte er Bedauern. »Er könnte noch leben«, brummte er. »Wenn er nicht so ein arroganter Dummkopf gewesen wäre.«
»Er hat mich eingesperrt.« Sie hob eine Hand aus dem Bottich und legte sie auf die seine. In ihren grauen Augen lag kein Vorwurf. »Wer weiß, was er mir angetan hätte, wenn du mich nicht befreit hättest.« Sie blinzelte. »Danke, dass du nach mir gesucht hast. Obwohl ich es war, die …«
… die dich weggeschickt hat.
Gábor wusste, was sie sagen wollte. Er blickte auf ihre Finger herab, suchte nach den richtigen Worten, um ihr alles zu erklären. Sie schien sein Schweigen jedoch falsch zu deuten, denn sie zog ihre Hand weg. Ihre Wangen leuchteten rot, ob von dem heißen Wasser oder aus Verlegenheit, konnte er nur ahnen. So tölpelhaft hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt. Unwillkürlich wanderte sein Blick von ihrem Gesicht zu ihren Schultern, dem Badewasser, in dem sich der Kerzenschein spiegelte und das doch ihre Nacktheit weniger gut verbarg, als für sein Seelenwohl förderlich war. Rasch sah er zur Seite. Er hatte sie in den Bottich gelegt, als
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