Mondherz
nur so dumm sein können, Arpad zu unterschätzen! Er hätte ihm mehr Wachen an die Seite stellen sollen, doch er war unaufmerksam gewesen. Nur weil er den Türken so schnell wie möglich aus dem Blick hatte haben wollen. Nun klebte das Blut dieser beiden Männer an seinen Händen.
Am Ende der Gasse erschienen weitere Wachen.
»Der Gefangene ist geflohen«, rief Gábor. »Jagt ihn, schnell!« Er gab rasche Anweisungen, während er sich das Blut des Wachmanns, das immer noch an seinen Händen haftete, an seinem Leinenhemd abwischte. Die Männer stürmten los, und Gábor blieb allein mit den beiden Toten und seinen Gedanken zurück.
»Verdammt!« Er vergrub die Hände in seinem Haar.
Arpad war ein gefährlicher Gegner. Die Worte über seinen Vater hatten Gábor verwirrt, und das war Arpads einziges Ziel gewesen. Er hatte schon immer die Fähigkeit gehabt, die Schwachstellen anderer Leute auszunutzen. Und lügen konnte er inzwischen wahrscheinlich wie ein Dämon. Wenn er jedoch glaubte, dass Gábor auf ihn hereinfiel, hatte er sich geirrt.
Vor Wut blähten sich seine Nasenflügel. Er würde ihn finden, und bevor er auch nur ein weiteres verderbtes Wort über die Lippen spucken konnte, würde er ihn umbringen.
»Gábor!« Klar klang Miklos’ Schrei trotz der Entfernung durch die Nacht. »Schiffe kommen!« Seine Stimme überschlug sich vor Aufregung. »Die Donau flussabwärts kommen sie. Es ist Graf Hunyadis Flotte!«
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12 . Kapitel
Belgrad, Juli 1456
G raf Hunyadis hundert Schiffe erreichten am 14 . Juli die Stadt. Sie wurden von den Kirchenglocken der Stadt willkommen geheißen. Alle läuteten sie, die große Dominica, die im Dachstuhl der Kathedrale hing, wie auch die kleinen Vesperglocken der Klöster, und gemeinsam sangen sie einen Chorus der Freude, misstönend und ohrenbetäubend zwar, aber deshalb nicht weniger mitreißend.
Bis einer von Hunyadis Mannen die Stadt betreten konnte, dauerte es allerdings noch den ganzen Tag und die nächste Nacht, denn so lange zog sich die Schlacht auf der Donau hin. Während die meisten Männer des Kreuzfahrerheers zurückblieben, hatte Hunyadi seine schwere Reiterei in zwei Gruppen aufgeteilt, die an beiden Ufern des Flusses die Schiffe vor dem türkischen Landheer beschützten. Er selbst ritt am gefährlicheren rechten Ufer, erzählten seine Männer später stolz, um mit dem eigenen Schwert die Janitscharen abzuwehren, so dass diese nicht in die Seeschlacht eingreifen konnten.
Veronika beobachtete das Geschehen voller Grauen von ihrem Fenster aus. Mit Enterhaken machten sich die Angreifer an die feindlichen Schiffe heran und verwickelten die Türken in mörderische Nahkämpfe. Die ungarischen Katapulte verschossen Hunderte von Brandgeschossen und schweren Steinen. Die brennenden Boote spiegelten sich rot im Wasser, als wäre die Donau ein Fluss aus Blut.
Wie viele Männer in den Flammen verbrannt oder in den Fluten ertrunken waren, vermochte danach niemand mehr zu sagen. Der Ausgang der Schlacht hätte wahrlich auch anders ausfallen können, dachte Veronika, hätte sich nicht Gábor vorab heimlich Zugang in die eingeschlossene Stadt verschafft. So konnte er Michael von Hunyadis Strategie berichten. Michaels vierzig Schiffe, die bis dahin sicher im befestigten Hafen innerhalb der Stadtmauer gedümpelt waren, wagten, wie von Hunyadi geplant, gleich zu Beginn der Schlacht einen Ausfall. Mit serbischen Kriegsknechten besetzt, die ausgezeichnete Bogenschützen und fanatische Türkenhasser waren, nahmen diese Schiffe die türkischen Galeeren von hinten in die Zange.
Nach einem Tag und einer Nacht durchbrach Graf Hunyadi endlich die eiserne Kette, welche die türkischen Schiffe um Belgrads Hafeneinfahrt gelegt hatten, und der Zugang zur Stadt über den Fluss war offen. Die zweihundert Schiffe des Sultans waren zerstört oder flussabwärts ins Hinterland geflohen, und endlich gehörte die Donau vor Belgrad wieder den Christen.
Hunyadi setzte zuerst mit dreitausend Kämpfern über den Fluss und zog in die Festungsstadt ein. Sogleich sorgte er dafür, dass die erschöpften Kriegsknechte an den Mauern durch neue Männer abgelöst wurden. Die Verwundeten aus den Hospitälern ließ er mit den Schiffen aus der Stadt bringen. Seine Truppen brachten neuen Mut und Tatkraft und vor allem Nahrungsmittel, die in der Stadt so furchtbar knapp geworden waren. Selbst die Dämonen der Pestilenz, so hieß es, würden von dem heiligen Segen, der die Kreuzfahrer begleitete, in die
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