Mondherz
ihrer Träger Rost anzusetzen. Sie alle bereiteten sich auf den Sturm vor.
Veronika sah grimmige und aufgeregte Mienen, und ihre Wölfin reagierte mit einem kaum hörbaren Knurren auf die Gereiztheit der Männer. Sie hätte gern Miklos dabeigehabt, der meist Wissenswertes zu berichten wusste. Vielleicht trieb er sich hier herum? Suchend wanderten ihre Augen über das Lager, doch ohne Erfolg. Auch sein Geruch lag nicht in der Luft. Wahrscheinlich war er in der Unterstadt unterwegs, gemeinsam mit Gábor. Sie atmete tief ein. Immer noch nutzten die beiden jede Kampfpause, um einen mysteriösen Gefangenen zu jagen, der ihnen vor sechs Nächten entwischt war. Ein türkischer Spion, der wie vom Erdboden verschluckt zu sein schien. Gerüchte kursierten, dass Gábor und der Mann sich kannten, Gerüchte, dass ein Mann mit türkischer Herkunft doch nicht wirklich gottesfürchtig sein könne. Ein undankbares Pack waren sie, die Menschen, die über ihrer Tratschsucht vergaßen, dass Gábor immerhin den Einfall der Janitscharen in die Stadt verhindert hatte. Veronika knirschte mit den Zähnen. Sie selbst hatte einer Küchenfrau heute Morgen eine Ohrfeige versetzt, als sie sie beim Lästern erwischt hatte. Es hatte gutgetan, ihren Frust auf diese Weise loszuwerden.
Seit der Nacht seiner Ankunft hatte Gábor sie nicht mehr alleine gesehen. Sie konnte es ihm nicht einmal verdenken. Wenn sie doch nur nicht in seinem Bett geschlafen hätte! Sie seufzte. Einsamkeit und Sorge hatten sie in Gábors Zimmerflucht getrieben. Eingehüllt in den Duft von ihm und Miklos, der dort wie ein warmer Brodem in der Luft hing, hatte sie sich auf sein Bett gesetzt. Nur kurz hatte sie ausruhen wollen, und dann war sie erst von Gábors Ankunft wieder geweckt worden. Sein Körper, seine Hände auf ihrer Haut. Der Kuss, den er unterbrochen hatte und nicht sie. Alles hatte sich so richtig angefühlt, anders als bei Michael. Sie erschauerte und schämte sich zugleich.
Zu Michael hatte sie noch gesagt, sie sei keine Dirne, doch wie eine solche hatte sie sich in Gábors Arme geworfen. Seine Lippen waren weich und warm gewesen, eine Zuflucht in der kalten Morgenluft, bis er so abrupt vor ihr zurückgewichen war, als hätte ihre Berührung ihn verbrannt. Sie musste sich eingestehen, dass seine Zurückweisung schmerzte.
»Frau Veronika! Es freut mich, eine schöne Frau wie Euch unter all den Söldnern zu sehen.«
Michael. Gedankenverloren wie sie war, hatte sie gar nicht bemerkt, dass er sich von hinten genähert hatte. Mit angespannter Miene fuhr sie herum. »Gott zum Gruß, Herr Hauptmann.« Sie sank in einen förmlichen Knicks, denn sie hatte sich vorgenommen, ihm gegenüber jede Vertraulichkeit zu vermeiden. Noch ein Freund, den sie wohl verloren hatte. Sie biss sich auf die Lippen. »Ich hoffe, Euch geht es gut?«
Michael hob die Schultern. Er sah blendend aus, bemerkte sie, in einem blanken Waffenhemd, das über seiner mächtigen Brust spannte. Seine Haut war samten gebräunt und stand in deutlichem Kontrast zu seinem blonden Haar. Der Kriegszustand schien ihm wahrlich gut zu bekommen.
»Ich kann nicht klagen«, meinte er auch und zwinkerte ihr zu, als wäre alles in Ordnung zwischen ihnen. »Jetzt, da den Türken das Lachen vergangen ist, habe ich umso mehr Grund, gut gelaunt zu sein.«
Ein Mann lachte über Michaels Worte, es war ein tiefes, hustendes Lachen, wie aus einer Kehle, die es nicht gewohnt war, solche Geräusche zu erzeugen. Veronika roch ihn, noch bevor er hinter Michael hervortrat, und augenblicklich zwang ihre Wölfin sie erneut in einen tiefen Knicks. Er roch nach Stahl, nach kalter Winterluft, und er strahlte so viel wölfische Dominanz aus, dass sie wusste, wer er war, ohne ihn zu kennen.
Sie schnappte nach Luft. Ein Ältester. Uralter Instinkt zwang sie, den Kopf vor ihm zu beugen. Erst einen Moment später überwand sie die Ehrfurcht der Wölfin und blickte auf, selbst von der Heftigkeit ihrer Reaktion überrascht.
Der Mann, der ihr gegenüberstand, war von eher kleiner Statur und mit menschlichen Maßstäben wohl als unauffällig zu bezeichnen. Seine Kleidung war abgetragen, und ein grauer Schnurrbart verlieh seinem Gesicht etwas Hartes, das von kleinen bernsteinfarbenen Augen noch unterstrichen wurde. Sein Umhang trug das Wappen des böhmischen Regenten. Veronika erinnerte sich an ihre Lektionen. Der Mann musste Pavel von Breunen sein, der sich von Prag aus Graf Hunyadis Feldzug angeschlossen hatte.
»Pax Vobiscum –
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