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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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umgedrehten Tisch gefangen lag.
    Er war in jeder Hinsicht unauffällig – nach Größe, Gewicht, Teint und Gesichtszügen –, und gerade diese Unauffälligkeit machte ihn gefährlich. Wer würde auf irgendetwas außer der Uniform und dem Bart achten, wenn man diesen Mann sah? Doch beides war so auffällig, dass Meath sich einfach wundern musste. Selbst wenn es für Velden von Grib einen zwingenden Grund gab, Pol zu töten, erschien es Meath doch kaum glaublich, dass jemand dumm genug sein konnte, einen Mörder in den eigenen Prinzenfarben auszusenden, es sei denn, er rechnete damit, dass niemand glauben würde, er könnte so dumm sein. So komplizierte Gedankengänge bereiteten Meath Kopfschmerzen. Aber er konnte sich lebhaft vorstellen, wie es werden würde, einen regierenden Prinzen des versuchten Mordes anzuklagen. Es war viel leichter, Velden von der Komplizenschaft freizusprechen und zu dem Schluss zu kommen, dass die Uniform nur als Tarnung gedient hatte, um dem Mörder als Mitglied der Abordnung aus Griben Zutritt zu Graypearl zu verschaffen. Zufällig waren die Soldaten zur selben Zeit hier im Gasthaus gelandet wie Pol.
    Außerdem war da der Bart, eine Verkleidung, die fast so leicht abgelegt werden konnte wie eine Uniform. Meath kniete sich hin, um das Gesicht des Mannes aus der Nähe zu betrachten.
    »Wonach schaut Ihr?«, fragte Pol, der ihm über die Schulter blickte.
    »Ich bin mir nicht sicher«, gestand Meath. »Ich glaube nicht, dass er diesen Bart schon sehr lange hat. Er ist ungleichmäßig und noch nicht genug gewachsen, um gut geschnitten zu sein. Und diese Stelle hier an seinem Kinn ist praktisch kahl.«
    Der Junge kniete sich neben ihn und betastete den Bart. Als er dem Blick des Lichtläufers begegnete, waren Pols Augen schreckgeweitet. »Merida«, flüsterte er.
    »Unmöglich. Sie sind in dem Jahr, wo Ihr geboren wurdet, fast alle vernichtet worden. Walvis hat sie in der Schlacht bei Tiglath erwischt.«
    »Ein Merida«, wiederholte Pol störrisch, »die Narbe an seinem Kinn ist genau an der richtigen Stelle. Sie sind ausgebildete Mörder. Und wer sonst würde mich töten wollen?«
    Meath hörte, dass Pols Stimme nun doch höher wurde. Er stellte den Jungen auf die Beine, nahm sich einen weiteren Krug Wein vom Tisch und reichte ihn Pol.
    Rohan hatte seinen Sohn aus Sicherheitsgründen nach Dorval geschickt. Er hatte sich darauf verlassen, dass Meath, Sioneds Freund seit ihrer Studienzeit an der Schule der Göttin, seine Leibwache sein würde, falls der Junge einmal die unmittelbare Umgebung von Graypearl verließ. Meath zitterten die Hände bei dem Gedanken, was hätte geschehen können.
    Pol hatte seine Farbe und sein Gleichgewicht wiedergefunden. Er gratulierte den Kaufleuten und den Zimmerleuten zu ihrer Schlagkraft und redete so unbeschwert, als hätte es sich um eine gewöhnliche Kneipenschlägerei gehandelt und nicht um einen Versuch, ihn umzubringen. Aber der sorglose Knappe von Lleyn war verschwunden und hatte einem jungen Mann Platz gemacht, der jetzt wusste, was sein Tod wert war. Rohan und Sioned würden erfahren, dass ihr Sohn in wenigen Augenblicken einen großen Schritt voran gemacht hatte. Pols Identität war nun bekannt, doch als er Rialt für dessen Schnelligkeit dankte, schien ihn die tiefe Verbeugung, die ihm galt, doch zu verunsichern. Das machte Meath wieder sicherer, wenn er auch nicht gleich verstand, weshalb das so war.
    Die Patrouille traf ein. Meath war froh, ihnen die Gefangenen übergeben zu können. Sie würden vor Prinz Lleyn gebracht werden; der Befragung des Merida sah er mit grimmiger Freude entgegen.
    »Es tut mir leid wegen des Schadens«, sagte Pol zu Giamo, »Euer Kelch ist zerbrochen. Ich verspreche, ich werde auf dem Rialla Ersatz dafür besorgen.«
    »Mein Kelch?«, rief Willa aus. »Große Göttin, was ist schon ein dummer Kelch? Wenn Euer Lichtläufer nicht Feuer gerufen und sie damit erschreckt hätte, wäre sicher mehr kaputtgegangen als mein Kelch und ein paar Möbel!«
    Den Eindruck, dass Meath das Feuer verursacht hatte, stellte Pol nicht richtig. »Trotzdem, Ihr bekommt einen neuen Kelch aus Firon, wenn ich im Herbst zurückkehre.«
    Einer der Kaufleute räusperte sich. »Wohl gesprochen, Hoheit. Aber ich bin doch anderer Meinung als die gute Willa. Dass Ihr gerufen habt, hat sie abgelenkt und mir wohl meine heile Haut, vielleicht sogar das Leben gerettet. Mag sein, dass Tapferkeit zu den Pflichten eines Prinzen zählt, doch Mut verdient immer

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