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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Vertrautheit, die Worte unnötig macht. Wieder sprach al Zaghal als Erster.
    »Da ist noch etwas, das du wissen solltest. Ich hatte damals die Absicht, Muhammad zu töten, als du ihn wegen der Sache mit dem Pferd eingesperrt hattest. Und ich bin auch nach Almeria geritten, um ihn zu töten. Raschid starb auf meinen Befehl.«
    Der Druck von Alis Hand lockerte sich nicht. Der Emir seufzte.
    »Muhammad«, sagte er, und einen Moment lang war sich al Zaghal nicht sicher, ob Ali ihn mit dem alten Namen aus ihrer Kinderzeit ansprach oder von seinem Sohn redete.
    »Er wäre nie fähig gewesen zu regieren. Deswegen ist es vielleicht sogar gut, dass alles so gekommen ist, Bruder. Du wirst ein guter Emir sein, du bist stark genug, um die Christen aufzuhalten. Ich wünschte nur…«

    Der Kranke brach ab, dann schüttelte er den Kopf. »Es stand so geschrieben. Morgen werde ich zu deinen Gunsten abdanken und dann gehe ich nach Almunecar.«
    Almunecar war eine kleine Stadt, die nahe am Meer lag; in früheren Zeiten hatten sich die Emire von Granada dort gerne von der Hauptstadt erholt, und Said, ihr Vater, war dort gestorben. »Dein Hakim sagt, du seist nicht reisefähig«, wandte al Zaghal ein. Für eine Sekunde blitzte nochmals das Temperament der Banu Nasr in Ali auf.
    »Iblis hole alle Ärzte! Ich bestimme, wann ich reise!« Dann wurde sein Tonfall träumerisch, als spreche er nicht mehr mit al Zaghal, sondern mit sich selbst. »Und weißt du, nach all den Jahren, in denen ich um die Macht gekämpft habe… ist es wunderbar… einfach weggehen zu können.«

III

Krieg
    O du Prophet, feure die Gläubigen zum Kampfe an; sind auch nur zwanzig Standhafte unter euch, sie überwinden zweihundert, und so unter euch hundert sind, so überwinden sie tausend der Ungläubigen, dieweil sie ein Volk ohne Einsicht sind.
    Der Koran, achte Sure

    Der Machtwechsel in Granada, wenn er auch nicht völlig unerwartet kam, versetzte die Christenheit in helle Aufregung. Niemand glaubte, dass Abul Hassan Ali freiwillig zurückgetreten war. Als Layla durch die große Galerie des Palastes von Salamanca ging, hörte sie, wie ein paar Höflinge darüber diskutierten.

    »Das kann unserer heiligen Sache nur recht sein«, sagte einer von ihnen spöttisch. »Drei Heidenfürsten statt einem. Meine Güte, was für eine Familie! Das kommt auch nur bei den Ungläubigen vor, so ein barbarisches Übereinanderherfallen in der eigenen Verwandtschaft.«
    Layla blieb abrupt stehen. »Ihr würdet es nicht wagen«, sagte sie scharf, »so etwas von Eurer Königin zu behaupten, die in aller Öffentlichkeit ihren Bruder für zeugungsunfähig, ihre Nichte zum Bastard erklärt und dafür gesorgt hat, dass diese Nichte lebenslang im Kloster eingesperrt wird.« Wenn al Zaghal selbst in ihrer Mitte aufgetaucht wäre, hätten die Höflinge nicht entgeisterter dreinschauen können, und Layla spürte einen Moment lang tiefe Befriedigung, bis ihr bewusst wurde, was sie da gesagt hatte. In Kastilien nannte man so etwas Hochverrat.
    Ach was, dachte sie und wich nicht vom Fleck. Sie hatte nichts mehr zu verlieren. Derartige Bemerkungen waren ihr nichts Neues, aber einmal, nur ein einziges Mal, sollten die Hombres Ricos, wie man die Mitglieder des alteingesessenen kastilischen Adels nannte, nicht so leicht über ihre Feinde herziehen können.
    Der junge Mann, der gesprochen hatte, fing sich als Erster wieder. Seinem reich bestickten Wams nach zu urteilen, stammte er aus einer der Familien, die sich nicht nur alter Abstammung, sondern auch eines Vermögens rühmen konnten, und das war selten. Erst kürzlich hatte Isabella von ihren Granden Zwangsanleihen für den Krieg gegen Granada eingezogen. Moderne Feuerwaffen waren kostspielig.
    »Es wundert mich«, sagte er empört, »dass Ihr als eine Christin Partei für die Feinde Gottes nehmt und Seine auserwählten Herrscher beleidigt. Wärt Ihr ein Mann, würde ich Genugtuung verlangen.«
    »Wäre ich ein Mann«, entgegnete Layla honigsüß, »würde ich mir so dummes Gerede wie das Eure auch nicht freiwillig anhö ren.«

    Damit ließ sie die edlen Herren stehen und ging weiter. Fray Hernando de Talavera hatte sie durch einen Diener bitten lassen, zu ihm zu kommen, was sie beunruhigte - auf Dauer würde es kein glaubwürdiges Argument mehr gegen einen Katechismusunterricht für Suleiman geben -, aber der Wortwechsel mit dem Höfling hatte sie wieder in so gute Laune versetzt, dass sie sich dabei ertappte, wie sie vor sich hin summte. Es

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